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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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ein paar Tage später an faulem Fisch und wurde über Bord geworfen.«
    »Fauler Fisch? Auf einem Schiff ? Mitten im Ozean ? Ich dachte, diese Muselmanen seien so schrecklich pingelig, was ihre Ernährung angeht.«
    »Er aß ihn nicht – er berührte ihn nur, während er eine Mahlzeit zubereitete.«
    »Warum sollte jemand -«
    »Frag mich nicht«, erwiderte Eliza, »frag die geheimnisvolle Persönlichkeit, die meine Mummy ihrem unnatürlichen Laster unterwarf.«
    »Hast du nicht gesagt -«
    »Du hast mich gefragt, ob sie von Mohammedanern missbraucht wurde. Die Persönlichkeit war kein Mohammedaner. Oder Jude. Oder sonst jemand, der die Beschneidung praktiziert.«
    »Äh -«
    »Hörst du bitte auf, damit ich dir ein vollständiges Bild zeichnen kann?«
    »Nein. Was für eine Art Mann war er denn?«
    »Unbekannt. Er hat seine Kabine in diesem Aufbau mit den hohen Fenstern am Schiffsheck nie verlassen. Es schien, als fürchtete er das Sonnenlicht oder zumindest das Braunwerden. Wenn Mummy dort hineingeführt wurde, wurde diese gewölbte Glasfläche sorgfältig mit Fensterläden verschlossen und die Vorhänge wurden zugezogen – schwere Vorhänge waren es, in einer dunkelgrünen Schattierung wie die Schale der Aguacate , einer Frucht aus Neuspanien. Aber mit hier und dort eingewebten Goldfäden, um ein Funkeln zu erzielen. Bevor meine Mutter reagieren konnte, wurde sie rückwärts gegen den Teppich geworfen -«
    »Du meinst, auf den Teppich.«
    »O nein. Denn die Wände, ja sogar die Decke der Kabine waren, Zoll für Zoll, mit Teppich ausgekleidet. Handgeknüpfte Wolle, mit einem ausgesprochen tiefen, dichten Flor (jedenfalls schien es Mummy so, die noch nie zuvor einen Teppich gesehen oder berührt hatte), und das alles in einer Farbe, die an das Gold erntereifer Felder erinnerte -«
    »Hast du nicht gesagt, es sei dunkel gewesen?«
    »Wenn sie von einem solchen Stelldichein zurückkam, war sie über und über mit den Fasern bedeckt. Und selbst im Dunkeln konnte sie mit der Haut ihres Rückens fühlen, dass geschickte Handwerker den goldenen Teppich in seltsamen Mustern gefertigt hatten.«
    »Klingt ja bis jetzt gar nicht so schlecht … zumindest wenn man den Maßstab einer von Barbarei-Korsaren entführten und zur Sklavin gemachten weißen Frau anlegt.«
    »Ich bin noch nicht bei dem Teil angelangt, der vom Geruch handelt.«
    »Die Welt riecht nun mal schlecht, Mädchen. Am besten hält man sich die Nase zu und macht einfach weiter.«
    »Du bist ein Kind in der Welt der schlechten Gerüche, bis -«
    »Entschuldige. Warst du je im Newgate Gefängnis? In Paris im August? In Straßburg nach der Pest?«
    »Denk mal einen Moment an Fisch.«
    »Jetzt fängst du wieder mit dem Fisch an.«
    »Das Einzige, was die Person aß, war Fisch, der schlecht geworden war – und das schon vor einer ganzen Weile.«
    »Das reicht. Jetzt ist Schluss. Ich lasse mich doch nicht zum Narren halten.« Jack steckte sich die Finger in die Ohren und sang ein paar fröhliche Madrigale mit einer Menge von »Fa-la-las« darin.
     
    Ein paar Tage mochten seitdem vergangen sein – die Straße gen Westen war lang. Doch im Laufe der Zeit fing sie unweigerlich wieder an. »Die Barbarei-Korsaren waren nicht weniger ungläubig als du, Jack. Es war aber offenkundig, dass diese Persönlichkeit ein Mann mit einer ungeheuren Macht war, dessen Wünsche befolgt werden mussten. Jeden Tag wurde irgendein Matrose, der gegen die Regeln verstoßen hatte, dazu verurteilt, den stinkenden Fisch für die private Tafel des Mannes zuzubereiten. Dann fiel er auf die Knie und bat darum, ausgepeitscht oder gekielholt zu werden, statt diese Aufgabe zu erfüllen. Doch einer wurde immer ausgewählt und über die Reling geschickt, und die Leiter hinunter …«
    »Wie das?«
    »Man ließ den Fisch in einem offenen, mit einem sehr langen Seil hinten am Schiff vertäuten Beiboot reifen. Einmal am Tag wurde es seitlich herangezogen, und der unglückliche Matrose wurde mit vorgehaltener Pistole gezwungen, eine Strickleiter hinunterzuklettern, zwischen den Zähnen ein Stück Papier, auf dem das Rezept stand, das die Persönlichkeit für diesen Tag ausgesucht hatte. Dann wurde das Schlepptau von einer Gruppe würgender Seeleute hastig wieder ausgelegt, und der Küchenchef machte sich ans Werk und bereitete auf einem kleinen Ofen in der Pinasse die Mahlzeit zu.Wenn er damit fertig war, schwenkte er eine Totenkopffahne und wurde herangezogen, bis er genau hinter dem Schiff war. Aus

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