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Quitt

Quitt

Titel: Quitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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machte (wenn ich nicht irre, nannten sie's Dirschau), in eben diesem Dorfe waren Mennoniten, und der Oberste der Gemeinde hieß Hornbostel, Obadja Hornbostel, mir noch deutlich in Erinnerung, weil wir, verzeih, über den Namen oft scherzten. Und ich weiß auch, daß die Rede davon war, in Obadja Hornbostels Farm einzutreten, wo's uns jedenfalls besser ergangen wär als in unserem fiebrigen Sumpfloch. Aber ich hatte damals noch die Sehnsucht nach den Diggings hin, weil ich ein Narr war und reich werden wollte. Sonst hätt ich's wahr und wahrhaftig auf der Stelle versucht ... Obadja Hornbostel, ein hübscher, aber etwas wunderbarer Name.«
    »Das war mein Vater.«
    Lehnert erschrak fast. »Aber das war ja doch in Dakota, neunhundert Englische von hier.«
    »Und ist doch so, wie ich sage. Wir waren erst in Dakota, da bin ich auch geboren, und meine Schwester Ruth auch. Und unsere Mutter ist da begraben. Und wir dachten auch in Dakota zu bleiben. Als aber ein Streit mit dem Government kam und die klugen Herren, die man uns nach Dakota schickte, so taten, als ob wir Mormonen seien oder doch nicht viel anders, da machte der Vater kurzen Prozeß und ist ausgezogen wie Abraham und die ganze Kolonie mit ihm, und diesen Herbst werden es fünf Jahre, daß wir hier sind und eine neue Heimat haben, in der man uns, bis jetzt wenigstens, nicht gestört hat. Erst sollt es wieder Dirschau heißen, so wenigstens wollt es der Vater, aber schließlich gab er es auf und nannt es, wie die Gemeinde wollte. Und so wohnen wir denn in ›Nogat-Ehre‹.«
    Lehnert, als sein junger Mitreisender so sprach, starrte nachsinnend vor sich hin und rauchte dabei mit verdoppelter Energie. Dann warf er den Stummel weg, und es war ersichtlich, daß er sich einen Plan gemacht und eine Frage vorbereitet hatte. Trotzdem schwieg er noch immer. Endlich nah m er den Hut vom Kopf, strich sich über das volle Haar und sagte: »Glaubst du an Bestimmungen?«
    Der andere lachte. »Gewiß glaub ich an Bestimmungen. Wenn Gott lebt und uns trägt und hält, muß es doch auch eine Bestimmung geben. Gott bestimmt alles, und er bestimmt sogar alles vorher.«
    Lehnert sah unausgesetzt in die Landschaft hinaus. Erst nach einer Weile nahm er das Gespräch wieder auf und sagte: »Bestimmung. Ja, es wird schon so sein. Und wenn ich überlege... Wie kam es? In Dakota hört ich deines Vaters Namen und wollt eintreten in seine Farm, oder doch beinah. Und hier, an den Shawnee-Hills, neunhundert Meilen weiter südlich, kaum berühr ich das Land, wen seh ich, wen treff ich?
Dich
, deines Vaters Sohn. Ja, das ist Bestimmung. Gott will, ich soll mit euch leben. Glaubst du, daß dein Vater mich brauchen kann?«
    Tobias schwieg.
    »Du schweigst. Und ich sehe daraus, ihr seid sehr wählerisch geworden seit Dakota.«
    »Nein. Das nicht. Ich überlege nur, wie's wohl ginge.«
    »Das soll euch keine Sorge machen. Ich habe, von Kind auf, Schwielen an meinen Händen gehabt, und wenn ich sie hatte, war mir immer am wohlsten. Ich will deinem Vater in der Wirtschaft helfen, pflügen und graben, wenn es sein muß, und das Vieh austreiben. Ich weiß mit Axt und Säge Bescheid und kann Uhren reparieren und Dach decken, mit Schindel und mit Stroh, und einen Stollen in den Berg schlagen. Und ich kann auch die Schreiberei besorgen und werde mich überhaupt schon nützlich machen. Und wenn du mit deinem Vater sprichst, denn ich komme nicht gleich mit (du mußt vorauf, während ich in Station Darlington bleibe, das ist ja wohl eure nächste Station), dann sag ihm: ich glaubte, daß es so Gottes Wille sei, und deshalb früg ich bei ihm an. Zweimal derselbe Name, derselbe Mann. Es steht mir fest, es
soll
so sein.«
    Toby nickte. Lehnert aber, als er gleich danach in Erfahrung brachte, daß man in weniger als einer halben Stunde schon auf Station Darlington eintreffen werde, ließ das Thema, das er vorläufig als erledigt ansah, fallen und sprach statt dessen von Utah und den Heiligen am Salzsee, von Portland, wohin er, um von dort aus in ein China-Handelshaus einzutreten, eigentlich habe gehen wollen, und zuletzt auch von Kalifornien.
    »Kennst du Kalifornien?« fragte Toby.
    »Nur zu gut. Was ich in vier Jahren in den Diggings erworben, bin ich in vier Monaten in San Francisco wieder losgeworden. Aber es ist gut so. Bestimmung auch
das
. Ich habe nie am Gelde gehangen und will nur frei sein. Ist dein Vater streng? Ein großer Befehlshaber?«
    »Er befiehlt nie. Er sagt nur: ›Ich denke, wir machen das

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