Quitt
auf die Fruchtfelder links und rechts.
»Ja«, sagte Toby, »das heißt, alles Mennonitenland, alles Nogat-Ehre. Was aber dem Vater persönlich gehört,
unsere
Farm, das liegt nach der anderen Seite zu, das sollst du morgen sehen, da steht es noch besser, und der Klee geht bis über die Wagenräder. Du mußt nämlich wissen, der Vater ist ein großer Farmer und Landmann und liest alle Zeitungen und Zeitschriften, und was die Gelehrten anraten, und besonders, wenn es aus England kommt, das schafft er an und scheut kein Geld. Nicht wahr, Ruth?«
Ruth, ohne sich nach ihnen umzusehen, nickte langsam und gravitätisch, und Lehnert sah aus der halb komischen Art, in der diese Zustimmung erfolgte, daß Obadja zu den Neuerungsenthusiasten gehören müsse, die den Entdeckern das Ei fortziehen, noch eh es ausgebrütet. Überhaupt konnt er wahrnehmen, daß das Gemisch von Offenheit und Heiterkeit, das ihn schon an dem Bruder so angezogen hatte, bei der Schwester noch stärker vertreten war. Von Ernst und Schwerfälligkeit keine Spur, und dabei ihr Frohsinn von jener entzückenden Art, wie die kindlich Gläubigen ihn so oft haben, die nicht anders wissen, als daß Gottes gütige Vaterhand sie jeden Augenblick hält und trägt und schützt. Ein beseligendes Gefühl immer abwesender Gefahr.
Eine kleine Pause war eingetreten, und Toby, dem daran lag, das so glücklich eingefädelte Gespräch auch fortgesetzt zu sehen, nahm es an alter Stelle wieder auf und sagte: »Ja, kein Geld und keine Müh. Nichts scheut er. Und das alles bei seinen hohen Jahren.«
»Ist er denn schon so alt?« fragte Lehnert. »Ihr seid ja doch beide noch so jung.«
»Dreiundsiebzig«, lachte Ruth.
»Da muß er sehr spät geheiratet haben.«
Jetzt verdoppelte sich das Lachen. Aber Toby, der wohl fühlte, daß das Lachen Lehnert verlogen machen müsse, gab nun Aufklärung und erzählte, daß der Vater dreimal verheiratet gewesen sei, so daß sie viele Halbgeschwister hätten. Die Kinder der ersten Ehe seien nach Preußen, nach Danzig und Dirschau zurückgegangen, die der zweiten lebten in Dakota, und sie beide seien die jüngsten. Ihr ältester Halbbruder sei schon über vierzig Jahre und voriges Jahr zum Besuch in Nogat-Ehre gewesen.
In diesem Augenblicke stieg der Boden ein wenig an, und als man oben war, wurd in kaum halbmeiliger Entfernung eine blinkende, langgestreckte, nur hier und da von hohen Pappeln überragte Häuserreihe sichtbar, auf die Ruth jetzt mit der Peitschenspitze hindeutete. »Das ist Nogat-Ehre. Siehst du's? In einer Viertelstunde sind wir da. Das letzte Gehöft da, zwischen den zwei Pappeln, das ist unser Haus. Und dann kannst du sehen, wie wir leben. Es wird dir schon gefallen. Das heißt, wenn du nicht so sauertöpfisch bist wie Mister Kaulbars, dein Landsmann. Der hat an allem was auszusetzen. Ob alle Preußen so sind? Ich kann es mir nicht denken. Du siehst um vieles freundlicher aus und so recht, als ob du glücklich und zufrieden sein könntest. Aber ich spreche so, wie wenn wir dich schon hätten. Und wir haben dich noch lange nicht. Ich weiß ja noch nicht einmal deinen Namen... Toby, warum hast du mir seinen Namen nicht genannt?«
Toby lachte. »Weil ich ihn selber noch nicht weiß. Und der Vater hat auch gar nicht danach gefragt. Aber nun wird es freilich Zeit damit, wenn wir nicht mit einem Namenlosen in Nogat-Ehre einfahren wollen.«
»Ich heiße Lehnert Menz.«
»Ein hübscher Name«, sagte Toby.
Ruth nickte zustimmend. Aber gleich danach schien sie wieder wie wankend und schwankend zu werden und setzte hinzu: »Ja, hübsch. Aber was ist Lehnert? Ist es ein Kalendername?«
»Freilich ist er. Und du solltest ihn kennen. Lehnert ist Lienhardt. ›Lienhardt und Gertrud‹ wirst du doch noch nicht ganz vergessen haben.«
»Nein, gewiß nicht. Und war die schönste Geschichte, die wir als Kinder gelesen haben. Und der Vater kam oft dazu, wenn die Mutter sie vorlas, und nur Maruschka schlief immer ein und wurd erst wach, wenn ich sie mit dem Grashalm kitzelte. Ja, ›Lienhardt und Gertrud‹, das kenn ich, das war schön, wenn ich auch, offen gestanden, nichts Rechtes mehr davon weiß, und wenn Lienhardt und Lehnert ein und dasselbe sind, dann gefällst du mir noch besser. Und wenn du
so
bist wie Lienhardt, denn soviel weiß ich noch, daß er gut war, da wollen wir gute Freunde werden.«
Neunzehntes Kapitel
Als Ruth noch sprach, passierte man einen Brückenbogen und bog jenseits desselben in einen breiten,
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