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Quitt

Quitt

Titel: Quitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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kurze Zeit nach Fort Holmes hin zu leihen. Auf der Bahn sei's nah, und wenn sie dann die Zither hätten (und er wisse wohl, eine Zither sei noch viel schöner als eine irish harp), dann wollten sie »Yankee-Doodle« spielen und die »Wacht am Rhein«. Aber nicht »God save the Queen«, nichts Englisches, alles Englische tauge nichts. Und dann sollten die Indianer tanzen oder auch die Nigger, deren sie seit kurzem ein paar von Galveston her hätten, und wenn dann der Tag auf die Neige ginge, dann wollten sie sich auf den Wallgang setzen und den Mond aufgehen sehen und bei Brandy und Whisky, er habe noch einen feinen alten Glen Fillan, ihren Schwatz haben, von Chattanooga und Grant und Sheridan und von Bismarck und Moltke und Old William.
    In dieser Weise – denn Fort Holmes war ein einsamer Posten, ebenso wie Fort MacCulloch – drang man gleich am ersten Abend in Lehnert ein, dieser aber, den ein ernstliches Verlangen erfüllte, dem vielwöchentlichen Nichtstun ein Ende zu machen, blieb nur bis über den zweiten Tag. Am Morgen des dritten nahm er Abschied und schritt vom Fort aus auf das gleichnamige Stationsgebäude zu, das, in kaum halbstündiger Entfernung, gerade da, wo der Schienenweg aus dem Gebirge trat, in einer halbmondförmigen Ausbiegung am Saum eines Ahornwäldchens lag.
    Die kleine Bahnhofsuhr von Station Holmes zeigte neun Uhr früh, als Lehnert daselbst eintraf. In einer Viertelstunde mußte der von Galveston nach dem Norden führende Zug dasein, er kam aber mit erheblicher Verspätung, so daß Lehnert und die wenigen Personen, die mit ihm auf dem Bahnsteige warteten, sich beim Einsteigen in die Wagen beeilen mußten. Diese waren nur schwach besetzt, und in dem Coupé, darin sich's Lehnert alsbald bequem zu machen suchte, befand sich nur ein einziger Mitreisender, ein junger Mann von achtzehn Jahren, der, wiewohl einigermaßen abweichend von der Mode gekleidet, trotzdem leicht erkennen ließ, daß er einem guten Hause zugehörte. Seine Züge verrieten den Deutschen, während andererseits die Sicherheit und Ruhe seiner Haltung mit gleicher Bestimmtheit zeigte, daß er, wenn auch vielleicht nicht in Amerika geboren, so doch jedenfalls amerikanisch geschult sei. Die Gegend schien er zu kennen. Er las, in die Ecke gedrückt, eine Galveston-Zeitung und hatte den linken Arm auf eine Ledertasche gestützt, in deren Messingschild, wenn nicht alles täuschte, der Name des jungen Reisenden eingraviert war. Lehnert suchte denn auch das Eingravierte zu lesen, was ihm unschwer glückte. »Tobias Hornbostel« stand in oberster Reihe, dicht darunter aber in etwas kleinerer Schrift: »Nogat-Ehre, Station Darlington, Indian-Territory.« Das war beinah eine Biographie, mindestens eine volle Adresse. Lehnert, als er Namen und Ortsangaben entziffert hatte, war von dem allen aufs äußerste betroffen, und wenn er schon vorher den Wunsch einer Gesprächsanknüpfung gehabt hatte, so steigerte sich dieser Wunsch jetzt bis zum festen Entschluß. Er wollte nur warten, bis der Mitreisende das Zeitungsblatt aus der Hand gelegt haben würde. Das war nun geschehen, und Lehnert sagte: »Ihr seid ein Deutscher?«
    Der, an den die Frage sich richtete, bejahte mit vieler Freundlichkeit und fragte dann seinerseits, woran er ihn erkannt habe.
    »Nichts leichter als das«, sagte Lehnert. »Du hast das deutscheste Gesicht, das ich all mein Lebtag gesehen habe. Lache nur! Und siehst dabei so klar aus und so gut. Du gefällst mir.«
    »Du nennst mich du.«
    »Und du mich auch«, fuhr Lehnert fort, »was mir nur beweist, daß ich recht habe. Du bist nicht bloß ein Deutscher, du bist auch ein Mennonit. Und die Mennoniten nennen sich, glaub ich, ›du‹, ganz so wie die Quäker.«
    »Daß ich nicht wüßte! Jedenfalls nicht immer.«
    »Aber doch oft. Und wenn sie Tobias Hornbostel heißen, dann ganz gewiß. Nicht wahr?«
    »Ja, dann gewiß«, antwortete Tobias und streckte ihm die Hand entgegen. »Ich sehe, du hast gute Augen und hast Namen und Ort auf dem Messingschilde gelesen. Und aus ›Nogat-Ehre‹ hast du den Schluß gezogen, daß ich ein Mennonit sein müsse.«
    »Freilich. Aber du triffst es nur halb. Schon dein Name Hornbostel hätte mir alles gesagt, auch wenn ich den Ortsnamen Nogat-Ehre gar nicht gelesen hätte. Vor sechs Jahren, als ich eben herübergekommen war, war ich in Dakota, wo sie damals die Schwellen und Schienen für die Nord-Pacific-Bahn legten, und in einem Dorfe, das uns wegen seiner Tieflage viel zu schaffen

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