Quitt
und sich in diesem Falle doppelt belohnen wird. Er ist nämlich, von seiner Musik ganz abgesehen, über deutsche Zustände gut unterrichtet, war Anno siebzig in der Nähe des deutschen Kronprinzen und hat den Einzug in Paris unter Bismarcks Augen mitgemacht. Daß seine Stellung in jenen Tagen eine hervorragende gewesen sei, wird sich kaum annehmen lassen, aber er hat doch den Vorzug, von allem damals Erlebten erzählen zu können. Ich empfehle mich Eurer kameradschaftlichen Geneigtheit.
Henry Wood,
Agent of the United States Government und Kommandant von Fort MacCulloch.«
So der Brief, der das, was Lehnert in den letzten sechs Jahren erlebt hatte, kurz erzählte. Ja, so war es gewesen: ein Vermögen war rascher hingeschwunden, als er es erworben hatte. Im übrigen war die Nachricht von dem Bankrott der Neu-Mexiko-Bank, so unvorbereitet sie ihn traf, ohne tiefere Bewegung von ihm aufgenommen worden, weil ihn dieser beinahe völlige Vermögensverlust rasch und mit einem Schlag einem im Lauf des letzten halben Jahres in San Francisco geführten Spekulationsleben entriß, das ihm eigentlich schon widerstand, während er es noch mitmachte. Ja, er sehnte sich aufrichtig danach, an die Stelle des mit deutschen und schweizerischen und vielfach auch mit französischen Abenteurern in den Diggings verbrachten Lebens, und des schlimmren in der kalifornischen Hauptstadt, wieder ein Leben voll Arbeit treten zu lassen, und die Reise nach dem Osten erschien ihm als der erste Schritt dazu. Selbst der Eisenbahnunfall, der ihn traf, war nicht angetan, ihn anderen Sinnes zu machen. Im Gegenteil, die stillen Wochen in Fort MacCulloch hatten ihn in diesen seinen Anschauungen nur noch gefestigt, und es war unter einem lange nicht gefühlten Behagen, daß er jetzt, frisch und rüstig, die Shawnee-Hills hinaufstieg, auf kaum fünfzig Schritt die beiden Cherokees vor sich, die seinen Koffer an einer über ihre Schultern gelegten Stange trugen. Von Zeit zu Zeit sahen sie sich nach ihm um, und ihr freundliches Grinsen, wenn er nach diesem oder jenem fragte, steigerte nur noch die Heiterkeit seiner Seele.
Gegen Mittag hatten alle drei, nach mehrmaliger Rast, den Kamm des ziemlich hohen Gebirgszuges erreicht, und Lehnert sah nun weit und frei nach Norden hin. Alles, was da vor ihm lag, war ein wohl an sieben Meilen breites, von der von Galveston kommenden Texas-Kansas-Missouri-Bahn durchschnittenes Quertal, an dessen entgegengesetzter Seite das Land allmählich wieder anstieg, bis es abermals einen ziemlich hohen, dem diesseitigen Zuge der Shawnee-Hills entsprechenden Bergzug bildete. Dazwischen wenig Leben. Von den Ortschaften an der Bahn hin waren nur die weiter entfernten sichtbar: Station Darlington und Station Gibson (letztere schon ganz drüben), während sich die verhältnismäßig nahe gelegene Station Holmes, samt ihrem gleichnamigen Fort, verbergen zu wollen schien. Erst als Lehnert die beiden Indianer herbeirief und nach dem Fort fragte, gaben sie seinem Auge die richtige Richtung, und nun sah er (die Station blieb versteckt) wenigstens die vier gekupferten Türmchen von Fort Holmes deutlich in der Nachmittagssonne blinken. Auch das palisadenumstandene Blockhaus sah er, samt seinem Feldsteinfundament, ja, die Luft war so klar, daß er vermeinte, die Palisadenstämme zählen zu können. Einer der beiden Indianer aber, der ein wenig Englisch radebrechte, wies unausgesetzt mit der Fingerspitze darauf hin und wiederholte dabei: »That's it... Fort Holmes«, lächelnd und bedeutungsvoll hinzusetzend: »Tea... brandy... six o'clock.«
Und ehe noch sechs Uhr heran war, hatte sich Fort Holmes in aller Gastlichkeit aufgetan, trotzdem der mitgebrachte Empfelungsbrief, und zwar infolge zufälliger Abwesenheit des Kommandanten von Fort Holmes, noch gar nicht seine Schuldigkeit hatte tun können. Als nun aber, zwei Stunden später, der Kommandierende wieder daheim war und den ausführlichen Brief seines Kameraden Henry Wood von Fort MacCulloch gelesen hatte, steigerte sich das Entgegenkommen noch um ein erhebliches, und Aufforderungen von beinah dringlicher Natur ergingen an Lehnert, auch in Fort Holmes eine längere Rast nehmen zu wollen. Es würde sich schon ein Faden spinnen lassen, und was das Zitherspielen angehe, dessen der Brief Erwähnung tue, so woll er nur sagen, die German Mennonites bei Station Darlington, keine fünfundzwanzig englische Meilen von hier, hätten eine Zither und würden sich gewiß bereit finden lassen, sie für
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