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Quitt

Quitt

Titel: Quitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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    Lehnert lachte: »Oh, das kenn ich, das ist die fromme Form, aber es läuft auf dasselbe hinaus. Übrigens mir gleich. Wo Verstand befiehlt, ist der Gehorsam leicht. Bloß der Befehl rein als Befehl, bloß hart und grausam, da kann ich nicht mit, das kann ich nicht aushalten.«
    Toby sah ihn groß an. »Das ist recht, was du da sagst. So denk ich auch, und so denken wir alle. Und wenn du so bist, da bin ich auch sicher, du wirst dem Vater gefallen. Er hat es gern, wenn man frei spricht und eine Meinung hat. Aber eine Form muß es haben, darauf hält er.«
    Unter diesem Gespräche hatte man Darlington erreicht, und beide stiegen aus. Ein kleines Ponygefährt war schon vorher bis dicht an das Stationsgebäude herangefahren, und ein junges Mädchen von kaum sechzehn Jahren hielt die Zügel in Händen. »Grüß dich Gott, Ruth!« Ein listig dreinschauender junger Cherokee, der den Dienst auf der Station hatte, stand neben dem Gefährt und wartete. Diesem warf das junge Mädchen mit großer Geschicklichkeit die Zügel zu, sprang vom Wagen und war im nächsten Augenblick in herzlichem Gespräch mit ihrem Bruder. Dies Gespräch aber, wenn nicht alles täuschte, drehte sich um Lehnert und ob man ihn nicht sofort nach Nogat-Ehre mit hinausnehmen solle, was die Schwester von ihrem Bruder Toby zu fordern schien. Und in der Tat trat dieser noch einmal an Lehnert heran und sprach in dem Sinne, wie's Ruth gewollt hatte. Lehnert blieb aber fest und beharrte bei seiner Ablehnung. Er werde die Nacht im Stationshause zubringen und am anderen Morgen auf die Farm hinauskommen. So sei's am besten, und Toby solle nur vorher schon für ihn sprechen und nichts von dem vergessen, was er ihm gesagt habe.
    Damit trennte man sich, und eine Minute später rollte das Ponygefährt wieder in die Landschaft hinein. Toby fuhr jetzt, während Ruth den Arm um des Bruders Schulter gelegt hatte. Der blaue Schleier flog, und an einer Biegung des Weges sahen sich beide noch einmal um und grüßten.
    »Unschuld...«, sagte Lehnert. »Wer dich hat, hat das Glück.«
     
Achtzehntes Kapitel
     
    Am anderen Morgen wollte Lehnert nach Nogat-Ehre hinaus und daselbst sein Heil bei den Mennoniten versuchen. Aber bis dahin war noch eine lange Zeit, lang und bedrücklich, abgesehen davon, daß es Schwierigkeiten zu haben schien, auf der Station eine Bewirtung und selbst ein Unterkommen zu finden. Als dies Unterkommen aber erst bewilligt war, fand sich auch ein Essen: ein Huhn, das bei Eintreffen des Zuges noch im Wegekies umhergescharrt hatte. Dabei blieb es denn freilich – es war eine von den Einsamkeitsstationen –, und Lehnert, um die Zeit notdürftig hinzubringen, sah sich gezwungen, stundenlang alte Geschäftsanzeigen und noch ältere Fahrpläne zu lesen. Dann und wann kam ein Zug, das war etwas, aber die daraus erwachsende Zerstreuung war doch nur gering und jedenfalls immer nur von kürzester Dauer.
    Der letzte Zug kam um neun Uhr vierzig Minuten und war ein Expreßtrain, der, auf der Strecke von Galveston bis St. Louis nur dreimal auf längere Zeit anhaltend, an einer so kleinen Station wie Darlington mit rasender Geschwindigkeit vorübersauste. Lehnert sah diesem Zuge nach und freute sich der am letzten Wagen ausgehängten Laterne, die, wie suchend, auf die durchflogene Strecke zurückzublicken schien; plötzlich aber schwand das Licht in einem Nebelstreifen, so wenigstens kam es ihm vor, und als Lehnert es wiederzufinden trachtete, sah er plötzlich statt des
einen
Lichtes viele Lichter, wie wenn der Zug mit seinen erleuchteten Waggons eine Biegung gemacht und aus der senkrechten Linie in die waagerechte übergegangen wäre. Jeden Augenblick war er denn auch gewärtig, das helle, lichterreiche Bild, in dem er nach wie vor den Zug vermutete, zwischen den Bergen verschwinden zu sehen. Als es aber blieb, überkam ihn eine Neugier, und er fragte den jetzt dienstfreien Beamten, was es sei.
    »Das ist Nogat-Ehre.«
    »Nogat-Ehre«, wiederholte Lehnert und sah unausgesetzt auf das Geflimmer, das ihn friedlich wie die Sterne zu grüßen schien.
     
    Lehnert war früh auf und hatte wieder auf derselben Bank am Stationshause Platz genommen, von der aus er, am Abend vorher, erst auf den verschwindenden Eilzug und dann auf die bleibende Lichterreihe von Nogat-Ehre geblickt hatte. Der Morgen war frisch und steigerte das Wohlgefühl, das ihm ein guter und auskömmlicher Schlaf gegeben hatte, trotzdem war seine Zuversicht hin und einem starken Zweifel

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