Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Quitt

Quitt

Titel: Quitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
gewichen, dem Zweifel, ob er, trotz seiner Unterredung mit Tobias, den Schritt auch tun und sich in Nogat-Ehre melden solle. Wie war sein Leben verlaufen? Unter Abenteuer und Gewalttätigkeit und unter Auflehnung gegen Ordnung und Gesetz. Und
er
wollte sich bei den Mennoniten verdingen? Ja, wer waren denn die Mennoniten? Damals, als er noch im Camp in Dakota lag und abends beim Gin immer nur ein Witzeln über die Mennoniten hörte, die für reich galten und weiter nichts, da hätt es vielleicht gepaßt, weil er's nicht besser wußte. Jetzt aber wußte er, daß es fromme Leute seien, fromm und fleißig und wahrheitsliebend und Feinde von Eid und Krieg. Und in solche Friedensstätte wollt er einbrechen? Das durft er nicht; er gehörte nicht dahin, er war eine Störung, und wenn er
keine
Störung war und den Frieden der Friedfertigen
nicht
trübte, war er seinerseits der Mann, den Frieden, den er da vorfand, auch nur tragen zu können? Lag es nicht so, daß der Krieg sein einzig Stück glücklich Leben gewesen war? Und was verwürfe der Mennonit mehr als den Krieg?
    So sinnend, sah er auf das Bahngeleise, das, auf kaum zehn Schritt Entfernung, hart an ihm vorüber nach Norden führte. War es nicht besser, diesem eisern vorgeschriebenen Wege, wie er's ursprünglich gewollt hatte, zu folgen?
    Er Überlegte noch, als er, schräg neben der Bahn, ein zierliches kleines Fuhrwerk über die Felder kommen sah, und ein zweiter rascher Blick war ausreichend, ihn erkennen zu lassen, wer die Herankommenden seien. Es waren die Geschwister, die gestern auf demselben Feldwege die Heimfahrt nach Nogat-Ehre gemacht hatten, und Ruths Schleier, der auch heute wieder wehte, nahm ihm den letzten Zweifel. Und mit diesem Zweifel fielen auch all
die
Bedenken, die seit Stunden auf ihm gelastet hatten, wieder von ihm ab, und es stand wieder fest in seiner Seele, daß die gestrige Begegnung eine Schickung gewesen sei und daß er's bei den Mennoniten versuchen müsse. Freudig erhob er sich und ging rasch auf den kleinen Wagen zu, der, eben die Schienen kreuzend, mit geschickter Biegung auf den Hof des Stationsgebäudes fuhr. Derselbe junge Cherokee, der schon gestern bei Lehnerts Ankunft bereitgestanden hatte, sprang auch heute wieder dienstfertig hinzu, Tobias aber gab der Schwester die Zügel in die Hand, stieg ab und begrüßte sich mit Lehnert. »Alles in Ordnung. Ich habe mit dem Vater gesprochen, und es ist nun an dir, in unsere Farm einzutreten und sein Hausmeier zu werden. Ob erster oder zweiter, das wird sich zeigen. Er ist froh, einen Deutschen mehr in seinem Hause zu haben. Er sagt, die Deutschen seien die besten, auch wenn sie, verzeih, nichts taugten. Und nun erlaube mir nachzuholen, was ich gestern versäumt habe, dir meine Schwester Ruth vorzustellen, ›un ange‹, wie Monsieur L'Hermite jeden Tag mehreremal versichert, eine ›verwöhnte Krabbe‹, wie Mister Kaulbars sagt.« (Ruth nickte.) »Mister Kaulbars ist nämlich ein Landsmann von dir, ein Preuße, der dir, denk ich, ein gut Teil von Prince Frederic Charles erzählen wird. Aber nun steig auf und setz dich neben Ruth. Oder noch besser, wir setzen uns zwei beid in den Fond, und Ruth kutschiert. Sie fährt nämlich wie ein Fahrer, ein Wort, das ich auch deinem preußischen Landsmann verdanke.«
    Während Toby noch so plauderte, war auch der Clerk aus dem Stationshause herangetreten, dem nun Auftrag gegeben wurde, Lehnerts Felleisen nach Nogat-Ehre hinauszuschaffen. Er versprach es auch mit aller Bereitwilligkeit, denn im Stationshause hielt man auf gute Nachbarschaft mit den Mennoniten, besonders mit Obadja, der es an Hilfen und Liebesdiensten nie fehlen ließ und erst neulich wieder, bei der Krankheit des jüngsten Kindes, mit Akonit und Nux Vomica geholfen hatte.
    Mittlerweile lenkte das Wägelchen in den Feldweg ein, und die Bahn in freilich immer weiter werdendem Abstande neben sich, ging es zwischen den Maisfeldern hin, deren hoher Stand den Wagen samt seinen Ponies überragte. Schließlich war man aus den Maisfeldern heraus, und gelber Raps lag vor ihnen, dessen Duft der von dem den Shawnee-Hills gegenüber gelegenen Gebirge herkommende Wind ihnen zutrug. Und dazu klangen die Glöckchen, wenn die Shetländer ihre langen Mähnen schlugen, um sich der Bremsen zu erwehren. Lehnert aber sog das alles begierig ein, und es war ihm, als flög er und als wären es alte Zeiten und als täten sich Heimat und Glück noch einmal vor ihm auf.
    »Ist das alles euer?« frug er und wies

Weitere Kostenlose Bücher