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Quitt

Quitt

Titel: Quitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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gesamten Wirtschaft als ein Verwalter und Hausmeier vorsteht. Er ist ein ehrlicher Mann, ohne Lug und Trug, ein treuer Arbeiter und prompt in der Erfüllung seiner Pflichten und hat, was ihn meinem Herzen am nächsten stellt, die rechte Freud und Lust an dem Segen Gottes als solchem, und eine Ernte zugrunde gehen zu sehen, das wurmt ihn und quält ihn, auch wenn jeder Halm versichert ist. Es ist ihm nicht um den Gewinn bloß, es ist ihm um den Segen, den er nicht missen will. Ja, so ist dieser Mister Kaulbars, den ich, solang ich noch in der Arbeit steh und hienieden ein Knecht meines Gottes bin, in Ehren zu halten gedenke. Aber Euer Landsmann ist ein Eigensinn und ein Besserwisser, der sich dem neuen Lande, drin er nun lebt, nicht anbequemen und alles nach der Weise seiner alten Heimat anordnen und regeln will. Er gehorcht wohl, weil er im Gehorsam erzogen ist, aber es ist ein toter Gehorsam, und ein toter Gehorsam ist unfruchtbar, nicht bloß in Herz und Seele, sondern auch auf dem Arbeitsfelde draußen, und so schädigt er mich, ohne es zu wollen, und mindert mein Gut, das ich, dies darf ich sagen, nicht ansammle zu meiner und meines Hauses, wohl aber zu Gottes und seiner Heiligen Ehre. Dem will ich abhelfen, da will ich Wandel schaffen, und dessen verseh ich mich von
Euch
. Ich hab in Eurem Auge gelesen, und ich kenne Euch nun: Ihr habt einen Ehrgeiz, und es lastet was auf Eurer Seele, das hat Euch bis diese Stunde durch die Welt getrieben, und sehe das Zeichen auf Eurer Stirn. Aber ich weiß auch, daß Ihr ein tapferes Herz habt und einen Edelsinn, der sich nicht verleugnet, wo Liebe ihn pflegt. Und diese Liebe soll Euch werden. Getröstet Euch dessen. Keiner, der unter dieses Dach getreten, ist ungetröstet von dannen gegangen. Im Namen dessen, der die Liebe war, ruf ich Euch zu: Kommt her zu mir, die ihr mühselig und beladen seid! Lehnert Menz, deine Last soll von dir genommen werden. Ich segne dich...«
    Und Lehnert, während er den Kopf neigte, fühlte, wie die Hand Obadjas seinen Scheitel berührte.
     
Zwanzigstes Kapitel
     
    Nebenan, in der großen Halle, war inzwischen für Lehnert ein Frühstück aufgestellt worden, und zwar durch Frau Rosalie Kaulbars in Person, die, weil sie der Umsicht des kleinen Cherokeemädchens mißtrauen mochte, nicht nur alles Nötige selbst herzugetragen, sondern dem angerichteten Frühstückstisch auch noch eine der preußisch-heimischen Art entsprechende Ausschmückung gegeben hatte. So kam es, daß sich, um gleich die Hauptsache zu nennen, um die Kufe mit saurer Milch ein blühender Lindenzweig legte. Eier in der Schale samt Schinken vervollständigten das einfache Mahl, dem anfänglich, einigermaßen aus der Rolle fallend, auch noch eine halbe Wassermelone beigegeben war, bis der zufällig vom Felde hereingekommene Mister Kaulbars gegen solche Zusammenstellung remonstriert hatte. »Was denkst du denn eigentlich, Röse? Soll er hier gleich mit Kullern und Schneiden anfangen?«
    Das war voraufgegangen. Als aber Lehnert aus Obadjas Zimmer trat, lag nicht nur das Zwiegespräch der Kaulbarsschen Eheleute um einige Minuten zurück, sondern auch das Ehepaar selbst hatte sich, um nicht neugierig zu scheinen, aus der Halle wieder in die Wirtschaftsräume des abgetrennt stehenden Quergebäudes zurückgezogen. Statt ihrer waren jetzt Ruth und Toby da, mit ihnen Uncas, ein wundervoller, schwarz und weiß gefleckter Neufundländer, der seine Herrin Ruth auf Schritt und Tritt zu begleiten pflegte. Toby ging Lehnert entgegen, um ihn, die Honneurs des Hauses machend, bis an die Schmalseite des Tisches zu führen, wo gedeckt war.
    »Stören wir dich, wenn wir uns zu dir setzen?« fragte Toby.
    Lehnert suchte nach einer Antwort, aber er fand sie nicht. Er war wie benommen von dem allem. Das war
mehr
Liebe, als er sich in seinem ganzen dreiunddreißigjährigen Leben zusammenrechnen konnte. Er legte die Hand auf die Stuhllehne, drin ein Kleeblatt eingeschnitten war, und faltete die Hände zum ersten Male seit vielen Jahren. Dabei war ihm, als flimmere was vor seinen Augen.
    Die Geschwister schwiegen und sahen ihm bewegt zu. Als sie aber wahrnahmen, daß er sich wieder gesammelt hatte, sagte Toby: »Nun also, Lehnert, wir bleiben und leisten dir Gesellschaft. Sieh nur, Uncas schließt auch Freundschaft mit dir. Nicht wahr, Ruth, das bedeutet was? Er ist sehr wählerisch und hält nicht gleich zu jedem.«
    Lehnert nahm von der Milch und brach dann, um sie sich vorzustecken, einige Blüten von

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