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Quitt

Quitt

Titel: Quitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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haben. Er war, wie du vorhin schon aus unserem Gespräche gehört haben wirst, ein Mitglied der Kommune, ja mehr, ein Führer derselben, und hat den Erzbischof von Paris erschießen lassen und sollte dann später selbst erschossen werden. Nur durch ein Wunder kam er mit dem Leben davon. All das sind Dinge, wovon ich dir (wenn er's nicht selber tut) ein andermal erzählen werde. Heute nur das noch, daß er deinen Frieden nicht stören wird, höchstens deine nächtliche Ruhe. Denn er ist ein unruhiger Geist, den mitunter die Lust anwandelt, ein paar Stunden in der Nacht zu plaudern. Vielleicht ist es auch sein Gewissen, was ihn wach hält. Und dann wankt er durch das Haus und weckt jeden, und einmal war er selbst bei dem Vater. Und dann spricht er wie irr und deklamiert lange Gedichte vom Menschengeist, der seine letzten Fesseln abwerfen müsse.«
    »So nehmt ihr ihn also einfach als einen Irren?«
    »O nein, durchaus nicht; er ist nicht irr, im Gegenteil, er ist grundgescheut und kann alles und weiß alles. Er hat nur eine Menschheitsbeglückungsidee, der er alles opfert, und am liebsten einen Erzbischof, einen Empereur, einen Papst. In seinen Ideen ist er ein Fanatiker und tut das Äußerste, sonst aber ist er wie ein Kind. Er ist der Friedliebendste von uns allen, und es ist rührend, ihn zu sehen, wenn er Ruth sieht. Dann verklärt sich sein Gesicht, und ich glaube, wenn sie's beföhle: so ging' er nach Neu-Kaledonien und Numea zurück. Von da floh er nämlich und kam bis hierher. Aber was sprech ich nur von Monsieur L'Hermite. Du wirst ihn kennenlernen, und unter allen Umständen ist er kein Gesprächsstoff für deinen Einzug an dieser Stelle. Denn es ist Blut an seinen Händen, ungesühntes Blut.«
    Lehnert, als Toby so sprach, brannte der Boden unter den Füßen, und es war ihm, als ob er fliehen müsse. Toby aber, völlig ahnungslos, welche Wirkung seine harmlos hingesprochenen Worte hervorgerufen hatten, trat in diesem Augenblick an ein mit allerhand Matten und Kissen belegtes, zugleich als Sofa dienendes Bambusgestell und sagte, während er auf zwei darüber aufgehängte Bildchen in schwarzem Rahmen hinwies: »Das ist der Remter in Marienburg... Und das hier ist Kloster Oliva. Kennst du sie? Sie sind das einzig Preußische, was wir noch von alter Zeit her im Hause haben.«
    Es war nicht ohne Verlegenheit, daß Lehnert Namen und Dinge nennen hörte, die jenseits seiner Kenntnis lagen, es blieb ihm aber erspart, diese Nichtkenntnis bekennen zu müssen, denn Toby brach ab, ohne auf Antwort zu warten, und verließ das Zimmer. Als er schon draußen war, wandt er sich noch einmal zurück und sagte: »Ich hoffe, daß nichts fehlt. Wenn aber etwas fehlen sollte, hier ist der Knopf, auf den du drücken mußt; es ist eine Drahtleitung, die wir Monsieur L'Hermite verdanken. Monsieur L'Hermite ist nämlich ein Erfindergenie; nun, du wirst ihn ja kennenlernen. Und nun Gott befohlen. Ich will zu Ruth und ihr, wozu ich gestern nicht kam, von Galveston erzählen und von Edwin Booth, der von New York auf Gastspiel da war und volle Häuser machte. Good-bye!«
    Und nun war Lehnert allein, ein Moment, nach dem er sich gesehnt hatte. Benommen von der Fülle von Eindrücken, die diese wenigen Stunden ihm gebracht hatten, ging er auf das mit Matten und Kissen überdeckte Lager zu, streckte sich nieder und schloß die Augen. Er wollte nicht sehen, um die Bilder seiner Seele desto deutlicher vor Augen zu haben. Da war der Alte, lächelnd, vornehm überlegen, ein wenig zu sehr Papst. Aber was bedeutete das, bei soviel Milde! Dann trat Monsieur L'Hermite vor ihn hin, das Käppi zurückgeschoben und das Gesicht über den Schraubstock gebeugt. Und dann wieder sah er Ruths halb noch kindliche Gestalt, und ein Gefühl unendlicher Sehnsucht ergriff ihn. Wonach? Nach einer ihm verlorengegangenen Welt. Er sann nach, womit er Ruth vergleichen könne, verwarf aber alles wieder, bis ihm zuletzt die Worte Tobys gleich bei der Vorstellung wieder einfielen, und daß Monsieur L'Hermite gesagt habe »un ange«. Ja, das war sie, ein Lichtstrahl. Und wenn seinem Leben ein solches Licht geleuchtet hätte, ja, wenn er nur gewußt hätte, daß es Erscheinungen wie diese gäbe... Ja, dann... Aber nun war es zu spät.
    Er stand auf und hielt in dem Zimmer Umschau. Schlicht und sauber war alles. Alle Stühle von Bambus (sogar der Schaukelstuhl am Fenster) und am Pfeiler daneben zwei Stiche: Washington und General Grant. Sonst nur noch ein Bett und ein Tisch

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