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Quitt

Quitt

Titel: Quitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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das heut am Weihnachtstag und gleich nach der Predigt? Ei, das muß etwas Großes sein.«
    »Ist es auch. Ich will ihn um etwas bitten. Und höre, Ruth, dabei fällt mir ein, du könntest mir Glück dazu wünschen.«
    »Wenn es etwas Gutes ist.«
    »Ich glaube,
daß
es etwas Gutes ist.«
    »Nun denn von ganzem Herzen.«
    Sie gab ihm die Hand, und während sie nach links hin und weit um den Tisch herum auf den offenstehenden Flur zuschritt, schritt Lehnert auf Obadjas Zimmer zu, von dessen Tür er den Vorhang zurückschlug.
    Obadja saß an seinem Arbeitstisch, genau wie damals, als Lehnert zum ersten Male hier eintrat, und ganz wie damals gab er sich und seinem Stuhl eine rasche halbe Wendung und sagte: »Nun, Lehnert. Was bringst du? Nimm Platz!«
    Lehnert setzte sich auch wirklich, schwieg aber befangen.
    Endlich war er seiner Verlegenheit Herr und begann damit, ihm für die heutige Predigt zu danken, am meisten aber für das, was er gestern abend über den Valerius Herberger gesagt habe. Das hab ihn die ganze Nacht nicht schlafen lassen. Er fühle, daß das das rechte Leben sei: sich, mit Gott im Herzen, vor dem Tode nicht zu fürchten. Und solches Leben zu führen, das sei so recht seine Sehnsucht. Und wenn ihn der Teufel der Eitelkeit und Selbstgerechtigkeit nicht verblende, so möcht er wohl sagen dürfen, er glaube, daß er nicht bloß die Sehnsucht, sondern auch die Kraft dazu habe.
    »Glaub's Lehnert, glaub's... Aber du wolltest mir etwas
anderes
sagen.«
    »Ja«, bestätigte Lehnert, »das wollt ich...« Und doch (so fuhr er fort) hab er alles, was er eben über den Herberger und über sich selbst gesagt, erst sagen müssen, denn nur daraus, daß er auch so was wie der Herberger in sich fühle, nur daraus käm ihm der Mut zu dem, was er jetzt sagen wolle. Heraus müss' es; er liebe Ruth, und wenn das vermessen und hoffnungslos sei, dann woll er fort, und zwar lieber heut wie morgen...
    Und nun hielt er inne, gewärtig dessen, was Obadja sagen würde.
    Der aber schwieg beharrlich und schien nur durch Blick und Handbewegung andeuten zu wollen, daß Lehnert weitersprechen möge. Da fiel denn auch alle Furcht von ihm ab, und er ließ sein Herz nicht bloß reden, sondern ihm auch die Zügel schießen. Er wisse wohl, daß er ein schlechter Mensch und des Glückes, das er begehre, durchaus unwürdig sei. Aber er wisse auch, daß die Gnade groß sei, so groß wie seine Reue. Wen Gott erwählt habe (das seien Obadjas eigene Worte), der könne straucheln und fallen, aber er falle nur, um durch Gott selbst wieder aufgerichtet zu werden. Er hoffe, daß dies auch
sein Los
sein werde. Selbstgerecht und gewalttätig sein, das seien die Fehler seiner Jugend gewesen und die Wurzeln des Verbrechens, um dessentwillen er seine Heimat habe meiden müssen, aber er glaube sagen zu dürfen, das alles liege jetzt weit zurück, und seit dem Tage, der seine Bekehrung gebracht, steh es fest in ihm, daß die Reinheit und der Friede das einzige Heil seien. Das Friedenslied, das damals gesungen worden sei, das hab ihn bekehrt, und wenn nicht das Lied, so die Stimme.
    »Und wenn nicht die Stimme, so Ruth«, lächelte Obadja.
    Aber Lehnert sah das Lächeln nicht. Er hörte nur heraus, was freundlich darin klang, und wiederholte mit Unbefangenheit: »Ja, Ruth...«,
sie
sei es, der er alles schulde, und sie werd ihm auch
dann
noch das Glück bedeuten, wenn er es, ihm nur zu begreiflich, in diesem Augenblicke für immer hinschwinden sähe. Denn Ruth, das wiss' er nur zu gut, sei weit über ihn hinaus, eine Herrentochter und eine Lady, während er in Not und Armut und in noch Schlimmerem großgezogen sei. Das heimatliche Haus habe nichts für ihn getan und die Schule nicht viel, und alles, was er sei, das habe zu Gutem und Schlimmem das Leben aus ihm gemacht. Er sähe hinauf zu Ruth. Aber seine Liebe sei groß und gleich groß sein Wille, sie glücklich zu machen. Sein Wille und hoffentlich auch seine Kraft.
    Und nun sah er Obadja fest an und erwartete sein Urteil.
    Der Alte schwieg aber und begegnete seinem Blicke mit nichts als freundlicher Ruhe. Dann erhob er sich, ging auf Lehnert zu und sagte: »Weiß Ruth davon?«
    »Nein.«
    »Nun, dann gedulde dich, Lehnert! Es ist
Rahel
, um die du wirbst... Ich werde dir Antwort sagen.«
     
Einunddreißigstes Kapitel
     
    »Gedulde dich! Ich werde dir Antwort sagen.« Hundertmal wiederholte sich's Lehnert, und als Obadja am andern Morgen die Andacht gehalten und wie herkömmlich ein Bibelkapitel

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