Quitt
Zugleich rieb sie Mohnpielen und beschäftigte sich mit der Frage, wie Bierkarpfen auch ohne Bernauer Bier gekocht werden könne. Wie sich denken läßt, wurden auch Enten, Hühner und Gänse geschlachtet, und Totto saß in der Wintersonne und rupfte das geschlachtete Federvieh, das ihm die Arapahomädchen unter Lachen und kleinen Neckereien beständig zutrugen. Jeder im Hause nahm teil und freute sich, und am vierundzwanzigsten früh erschienen auch noch die beiden Missionsschulen, die von Krähbiel und die von Nickel. Denn für die Kinder dieser beiden Schulen war ja recht eigentlich das Fest.
Und nun war der Abend da, und Totto wurde beauftragt, um sechs Uhr an den großen Schild zu schlagen. Das tat er denn auch. Und nicht lange, so kam man von allen Seiten herbei: Maruschka, Ruth und Toby vom linken, Lehnert und L'Hermite vom rechten Korridor her, während Mister und Mistress Kaulbars die verschiedenen Mägde, Krähbiel und Nickel aber die Indianerkinder herbeiführten, Knaben und Mädchen, die man bis dahin im Tabernakel untergebracht und mit Tee bewirtet hatte.
Der große Flur (Totto noch immer unter dem Tamtam) war vorläufig Versammlungsplatz, und nun endlich öffnete Obadja die große Tür, und während einer der Lehrer auf dem Harmonium spielte, das man zu diesem Zweck aus Ruths Zimmer heruntergeschafft hatte, trat alles in langem Zug in die Halle, wo der Baum mit seinem Christengel und seinen Lichtern stand, vor allem aber über die lange Tafel hin die hundert Geschenke ausgebreitet lagen: in der Mitte die der Hausgenossen und Gemeinde, links und rechts die für die Cherokee- und Arapahokinder. Die Freude zu sehen bildete doch die Hauptfreude. L'Hermite vor allem war entzückt, gab jedem der kleinen Rothäute, männlich wie weiblich, die bedenklichsten französischen Namen, unter denen petit bougre von den mildesten war, stellte dabei mehrere Jungen auf seine Schulter und blies ihnen ein Stück auf einer Blechtrompete. Das Bewundertste blieben aber doch die Tiere der Arche Noah, und Krähbiels und Nickels Anstrengungen, die Aufmerksamkeit der Kinder auf die Krippe hinzulenken, waren nur von halbem Erfolg. Das Natürliche war und blieb ihnen das Liebere, und so kam es denn, daß sie von dem alten weißbärtigen König aus Morgenland, trotzdem sie lächelnd Obadja in ihm erkannt hatten, nicht viel wissen wollten und immer wieder zur Arche Noah zurückkehrten. Im Flur wurde mittlerweile das Abendbrot genommen. Aber schon nach kurzer Zeit begab man sich wieder in die Halle zurück, wo jetzt von den Kindern Obadjas Lieblingslied gesungen wurde:
»Valet will ich dir geben,
Du arge falsche Welt,
Dein sündlich böses Leben
Durchaus mir nicht gefällt;
Im Himmel ist gut wohnen,
Hinauf steht mein Begier,
Da wird Gott ewig lohnen
Dem
, der ihm dient allhier.«
Obadja, der schon vorher mit seinen Hausgenossen am Kaminfeuer Platz genommen, erhob sich während dieses Gesanges, alle mit ihm, sogar L'Hermite, der zwischen Spott und Rührung kämpfte. Dabei zog er die Stirn in immer krausere Falten und versuchte hinter Gesichterschneiderei zu verbergen, was in ihm vorging. Als die Kinder dann zum dritten Mal an Obadja vorüberzogen, sangen sie die Schlußstrophe des schönen Liedes:
»Schreib meinen Nam'n aufs beste
Ins Buch des Lebens ein,
Und bind mein Seel gar feste
Ins schöne Bündelein
Der'r, die im Himmel grünen
Und vor dir leben frei,
So will ich ewig rühmen,
Daß dein Herz treue sei.«
Die zwei letzten Zeilen erklangen schon draußen im Flur und gingen, zur Genugtuung Obadjas, der nicht nur ein Verständnis, sondern auch eine Freude für den natürlichen Menschen hatte, sofort in Kinderlachen und heiterstes Geplauder über. Dann schritten alle, die Geschenke vorläufig noch auf dem Weihnachtstische zurücklassend, bei klarem Sternenhimmel auf die Nachbargehöfte von Nogat-Ehre zu, wo man sie, je nach der Größe der Farmen, in größeren und kleineren Trupps unterzubringen wußte. Nur die, die nach ihrer Lehrer Zeugnis die Besten waren, blieben zur Auszeichnung und Belohnung in Obadjas Hause zurück und bezogen hier ein paar Zimmer auf demselben Korridor, auf dem Lehnerts und L'Hermites Zimmer gelegen waren.
Die Hausangehörigen ihrerseits, während die Mehrzahl der Kinder in den Farmen verteilt wurde, blieben noch beisammen und gruppierten sich wieder um den Kamin. Nur Mistress Kaulbars blieb in Bewegung, machte, vom Buffet her, die Wirtin und erntete viel Lob und
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