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Quitt

Quitt

Titel: Quitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Zuspruch für die von ihr bereiteten Weihnachtsgerichte. L'Hermite fand die Mohnpielen »un peu curieux«, aber doch »admirable« und erklärte, wenn's irgend ginge, sich auf diesem Wege milderer Observanz zum Opiumesser heranbilden zu wollen, was er, ihm selber unerklärlich, bis diesen Augenblick ungebührlich versäumt habe. Denn des Lebens Bestes sei doch immer das Ins-Vergessen-Sinken,
das
lehre nicht bloß le grand Buddha, sondern auch le petit L'Hermite.
    Obadja lachte herzlich, gab ihm dabei die Hand und sagte: das könn ihm in Nogat-Ehre nie und nimmer bewilligt werden; er werde hier vielmehr fortleben, genau wie die Mohnpielen, »un peu curieux«, aber doch »admirable«. Was aber wichtiger sei: wenn sich ihm (Obadja) das erfülle, was er von ganzem Herzen hoffe, so werde Camille L'Hermite dermaleinst auch an anderer Stelle nicht vergessen sein. Schon die Wege des Lebens seien wunderbar, aber am wunderbarsten seien die Gnadenwege. Wer die Gnade habe, der mühe sich umsonst, sie zu verscherzen.
    L'Hermite lächelte, sei's, weil er im allgemeinen oder nur persönlich allerlei Zweifel unterhielt, Obadja aber sah über das Lächeln hin und fragte Lehnert, der die zuletzt gesprochenen Worte gierig eingesogen, ob er das eben von den Kindern gesungene Lied schon gekannt habe, das »Valet will ich dir geben«.
    Ja, sagte Lehnert, er hab es gekannt, denn es habe dem Liederschatze seiner heimatlichen Dorfkirche mit angehört.
    »Dann weißt du auch wohl, von wem es ist?«
    »Nein.«
    »Aber das solltest du doch. Es ist nämlich ein Landsmann von dir, der es gedichtet hat, und hieß Valerius Herberger. Ein schöner Name, nicht wahr? Denn unsere Kirche soll eine Herberge sein, und der, der darin waltet, ein rechter Herberger. Und ein solcher Herberger war unser Valerius auch wirklich. Ihr Schlesier seid überhaupt bevorzugt in solchen Stücken, und ich möchte wohl, ich könnte von meiner alten heimischen Weichsel- und Nogatgegend dasselbe sagen. Aber wenn ich auch stolz bin auf meine Nogatheimat, so sind uns doch die Gaben, die so viel bedeuten und so mächtig sind (auch für
die
noch, die sich der rechten Lehre rühmen dürfen), versagt geblieben. Wir sind arm, und ihr seid reich. Da habt ihr den herrlichen Mann, den Zinzendorf, denn die Sachsen und Lausitzer sind schon wie halbe Schlesier, und da habt ihr den herrlichen Paul Fleming und vor allem auch den
Opitz.«
    Lehnert verfärbte sich.
    Als er aber sah, daß der Name voll Unbefangenheit gesprochen worden war, kam er rasch wieder zu sich und folgte mit scharfem Ohre, während Obadja fortfuhr: »Und zu diesen Erwählten unter euch, die nun dastehen als eine Säule der neuen Kirche, zählt auch der Valerius Herberger, und wie sein Glaube in seinen Liedern lebt, so lebt er auch in seinen Werken. Und ich beuge mich vor diesem Manne. Kein Märtyrer, im Sinne der alten Kirche, hat er doch dem Tode Tag um Tag ins Auge gesehen. Er war Prediger in Fraustadt in Schlesien, und in neun Wochen starb die Stadt aus, denn der schwarze Tod ging in ihr um. Mehr als dreihundert hat er persönlich unter Schulgesang mit bestatten helfen, und doch blieb er ohne Furcht und Ekel. Manche Leiche begrub er mit dem Totengräber allein. Er ging voran und sang; der Totengräber aber führte ihm die Leiche auf einem Karren nach, an dem ein Glöckchen hing, damit die Leute der Begegnung ausweichen konnten. Sein Trost war: wer Gott im Herzen und ein gut Gebet und einen ordentlichen Beruf hat und den Vorwitz meidet, dem kann der Teufel nicht ankommen und die Seuche noch weniger.«
    »Ah, das ist schön«, sagte Ruth. Obadja aber nickte Ruth zu und fuhr dann fort: »Und als die Seuche fort und aus dem Lande war, da schrieb er: ›Es war all die Zeit über, als ob ein Engel mit dem Schwert mein Haus verteidigt hätte, so daß mir kein Leid widerfahren durfte.‹ Und während dieser Zeit war es auch, daß er das schöne Lied dichtete, das, wie's
ihn
aufrichtete, seitdem soviel tausend andere mit aufgerichtet hat.«
    Die Lichter am Baum waren schon lange vorher gelöscht worden. Auch im Kamin fiel das Feuer zusammen und glühte nur noch dunkel. Aber die goldnen Nüsse blinkten in dem tiefen Licht um so goldner, und der Christengel schwebte darüber.
    »Ich denke, wir trennen uns«, sagte Obadja. »Ruth, singe mir noch einmal die erste Strophe. Das soll heute mein Nachtgebet sein.«
    Ruth tat, wie ihr geboten.
    Dann nahm Obadja das zunächststehende Licht, grüßte die noch Versammelten und ging auf

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