Quitt
seine. War aber sonst eine Seele von Mann.«
Obadja lachte herzlich, und Ruth und Toby stimmten mit ein, und nur L'Hermite, der sonst ein feines Ahnungsvermögen für derlei Dinge hatte, konnte diesmal nicht mit und fragte: »Qu'est-ce que ça: flounch?« Aber ehe Lehnert ihm antworten konnte, nahm er wahr, daß Ruth noch keinen Platz habe, weshalb er sich in der ihm eigenen Artigkeit rasch erhob, um ihr den seinigen als den vergleichsweise besten anzubieten, »weil vis-à-vis de Maruschka«.
Ruth dankte, nahm aber das Opfer nicht an und erklärte, für sich selber sorgen zu wollen. Dabei trat sie dicht an eine Palisade heran, dieselbe, daran Tobys Kräfte sich schon vorher versucht hatten, und mühte sich zunächst, einen ziemlich großen Stein loszumachen, der dicht neben dem Palisadenpfahl eingebettet lag. Ihre kleinen Hände waren aber zu schwach, und so sprang denn Lehnert herzu, um ihr bei dem Lockern des Steins nach Möglichkeit behilflich zu sein. Und es gelang auch. Aber freilich im selben Augenblicke, wo der Stein sich löste, fuhr eine Kreuzotter darunter hervor und biß Ruth in das Handgelenk, dicht neben der großen Ader, und war dann im Nu die Palisade hinab und in dem Blumengewirr verschwunden.
Mit einem Schrei sank Ruth in die Knie und sagte, während sie die Hände faltete, mit unaussprechlich trauriger Stimme: »Nun muß ich sterben.«
Aber kaum daß sie diese Worte gesprochen hatte, so warf sich Lehnert neben sie nieder, ergriff ihre Hand und sog mit einer leidenschaftlichen Gewalt, und ehe sie's hindern konnte, das Gift aus der Wunde.
Das Ganze war wie ein Blitz; Tod und Rettung nur ein Augenblick.
Ruth aber verblieb in ihrer knienden Stellung und sagte: »Nun stirbst du.«
»Nein, Ruth, nein! Und wenn... Was liegt daran? Was liegt an mir?«
Zweiunddreißigstes Kapitel
Lehnert wurde tags darauf von einem heftigen Fieber befallen, und alle fürchteten für sein Leben. Ruth und Maruschka waren in Tränen, und L'Hermite, der den regelrechten Ärzten mißtraute, sacrete durch das Haus hin und hielt Reden, selbst zu Totto, über den zu frühen Tod seines Freundes Gunpowder-Face, des einzigen, der noch, nach Indianerweise, den Mut gehabt habe, jedes Fieber durch Hineinschieben in einen Backofen zu heilen, und überhaupt der beste Doktor in den ganzen United States gewesen sei. Jeder klagte, selbst Martin Kaulbars, der freilich seiner glücklichen Beanlagung nach nicht umhin konnte, seiner Klage zugleich etwas von einer Anklage beizumischen. »Das Gift auslutschen sei der reine Unsinn und sollte bloß so was sein; ausbrennen, das sei das richtige, das wisse jedes Kind, und wenn man einen alten Nagel in das Kaffeefeuer oder auch bloß in die noch glimmenden Kohlen gelegt hätte, so wäre das für Miss Ruth das beste gewesen und für den guten Schlesier auch. Nu werd er wohl dran glauben müssen. Und ob Miss Ruth durchkäme, das wäre auch noch soso. Aber das käme davon, wenn man von nichts wisse und in allem zurück sei.«
Zum Glück kam es anders, und alle Herzensnot Ruths und alle Neunmalweisheit Martin Kaulbars' erwiesen sich als ungerechtfertigt. Das Fieber, das Lehnert heimgesucht hatte, hatte mit dem Gift nichts zu schaffen und war einfach eine Folge großer Aufregung und hinzugetretener Erkältung gewesen, so daß am dritten Tage schon der aus der Nachbarschaft von Fort MacCulloch herbeigerufene Doktor Morrison die Versicherung einer vollständigen Genesung geben und selbstverständlich an dem Fest- und Freudenmahl, das Obadja denselben Abend noch veranstaltete, teilnehmen konnte.
Lehnert war sehr glücklich und empfing, als nun alle Sorgen abgetan waren, noch einmal die Danksagung der Familie. Sein Glück wuchs aber noch, als am andern Morgen Obadja das Gebet sprach, worin es mit besonderer Betonung hieß, daß die Liebe der einzige Lohn für treues Dienen sei. Und gleich danach nahm der Alte die Bibel und las: »Und Jakob gewann die Rahel lieb und sprach: Ich will dir sieben Jahre um Rahel dienen. Und Laban antwortete: Es ist besser, ich gebe sie dir denn einem andern. Also dienete Jakob um Rahel sieben Jahr, und deuchten ihn, als wären es einzelne Tage, so lieb hatte er sie.«
Ruth errötete. Denn ohne daß ein Wort zwischen ihr und Obadja gesprochen worden war, wußte sie doch nur zu wohl, daß der Vater in ihrem Herzen gelesen hatte.
Oben umarmte sie Maruschka, und die gute Alte sagte: »Nun wird alles gut, du stirbst nicht, und er stirbt nicht. Doktor Morrison hat mir
Weitere Kostenlose Bücher