Quo Vadis
und allgütig sei; doch es fiel uns auch nicht im entferntesten ein, daß Christus dein und ihr Gott sei. Veranlasse ihn, dich mir zu geben, und ich will ihn lieben, obgleich er mir ein Gott der Sklaven, Fremden und Bettler zu sein scheint. Du sitzest bei mir und denkst nur an ihn. Denke auch an mich, oder ich werde ihn hassen. Für mich bist du die einzige Gottheit. Gesegnet sei dein Vater, deine Mutter, das Land, das dich erzeugt! Ich möchte deine Füße umschlingen und dir Ehre und Huldigung erweisen, selbst Opfer bringen, du dreimal Göttliche! Du weißt nicht und kannst nicht wissen, wie ich dich liebe!“
Bei diesen Worten hielt er die Hand an seine bleiche Stirn und schloß die Augen. Er kannte keine Grenzen, weder in der Liebe noch im Zorn. Er sprach mit der Begeisterung eines Mannes, der ohne jede Selbstbeherrschung weder Worte noch Gefühle abwägen kann, aber er sprach aufrichtig, aus der Tiefe seines Herzens. Es war unverkennbar, daß Schmerz, Entzücken, Verlangen, Ehrfurcht, die sich in seiner Brust angesammelt, in unaufhaltsamem Wortstrom sich nun Bahn gebrochen hatten. Lygia klangen diese Worte gotteslästerlich; und doch begann ihr Herz so mächtig zu schlagen, daß ihr die Tunika eng zu werden schien. Sie konnte sich des Mitleids mit ihm und seinen Leiden nicht erwehren. Die Ehrfurcht, mit der er zu ihr sprach, rührte sie. Sie fühlte sich geliebt, vergöttert, fühlte, daß dieser unbeugsame und gefährliche Mann jetzt mit Leib und Seele ihr gehörte wie ein Sklave; und dieses Bewußtsein seiner Unterwerfung und ihrer Macht über ihn erfüllte sie mit Glück. Zugleich belebte sich ihre Erinnerung. Wieder stand er vor ihrem Geiste, jener glänzende Vinicius, schön wie ein heidnischer Gott, er, der im Hause des Aulus zu ihr von Liebe gesprochen und ihr noch halb kindliches Herz aus dem Schlummer geweckt, er, aus dessen Umarmungen Ursus sie wie aus einem brennenden Hause gerissen hatte. Jetzt aber, mit dem Ausdruck der Begeisterung und des Schmerzes in seinen Zügen, mit der bleichen Stirn, dem flehenden Auge, verwundet, durch die Liebe gebrochen, voll liebender Demut und Ehrerbietung, jetzt schien er ihr so, wie sie ihn sich wünschte, so, wie sie ihn aus voller Seele lieben konnte, und darum erschien er ihr teurer als je zuvor.
Sie begriff jedoch zugleich, daß ein Zeitpunkt kommen könnte, in dem seine Liebe sie erfassen und wie im Wirbelwind davontragen könnte, und wieder überkam sie das Gefühl, als stehe sie am Rande eines Abgrundes. Hatte sie darum das Haus des Aulus verlassen? Sich darum durch die Flucht gerettet? Darum sich so lange in einem verachteten Stadtteil verborgen? Wer war denn dieser Vinicius? Ein Augustianer, ein Soldat, ein Höfling Neros. Und was schwerer wog, er teilte dessen Verworfenheit, dessen Wahnwitz. Jenes Fest, das sie nie vergessen konnte, hatte es gezeigt. Er ging mit anderen zu den Tempeln, opferte verabscheuungswürdigen Göttern, denen er, obwohl er vielleicht selber nicht an sie glaubte, öffentliche Ehre erwies. Noch mehr: Er hatte versucht, sie zu seiner Sklavin und Konkubine zu machen, sie in jene schreckliche Welt der Ausschweifung, der Wollust, des Verbrechens, der Ehrlosigkeit hineinzuziehen, die den Zorn und das Strafgericht Gottes herausforderte. Er schien zwar geändert, hatte ihr aber doch gesagt, daß er, wenn sie mehr an Christus als an ihn dächte, Christus hassen würde. Und doch kam Lygia der bloße Gedanke an eine andere Liebe als an die für Christus wie eine Sünde gegen den Erlöser und seine Lehre vor. Als sie daher das Erwachen anderer Gefühle und Wünsche in den Tiefen ihrer Seele empfand, wurde sie von Unruhe über die Zukunft ergriffen.
Während sie sich solchen zwiespältigen Gedanken hingab, erschien Glaukos, um nach seinem Patienten zu sehen. Sofort malten sich Ärger und Ungeduld auf den Zügen des Vinicius, weil seine Unterredung mit Lygia unterbrochen worden war; und als Glaukos seine Fragen stellte, antwortete er in beinahe verächtlicher Weise. Allerdings beherrschte er sich ziemlich rasch. Wenn sich aber Lygia Illusionen hingegeben, wenn sie geglaubt hatte, was er im Ostrianum gehört, habe sein starrköpfiges Wesen gemildert, so mußte sie ihren Irrtum erkennen. Er war eben nur ihr gegenüber verändert. In allem übrigen aber hatte er das alte harte, selbstsüchtige Herz bewahrt, das echt römische und wahrhaft wölfische, ein Herz, das nicht nur der durch die christliche Lehre erweckten edleren Gefühle, sondern selbst
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