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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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unendliche Glückseligkeit nach dem Tode verspricht.“
    „Ich hörte diese Lehren im Ostrianum und sah ihren Beweis darin, wie ihr gegen mich und Chilon gehandelt habt; eure Taten erscheinen mir wie ein Traum, und ich glaube meinen Augen und Ohren nicht trauen zu sollen. Aber beantworte mir eine Frage: Bist du glücklich?“
    „Ich bin es“, antwortete Lygia. „Wer Christus bekennt, kann nicht unglücklich sein.“
    Vinicius betrachtete sie mit einem Ausdruck, als wollte er sagen, das eben Gehörte übersteige jede menschliche Fassungskraft.
    „Und wünschest du nicht zu Pomponia zurückzukehren?“
    „Von ganzer Seele wünsche ich es, und es wird geschehen, wenn es Gottes Wille ist.“
    „Ich sage dir darum: Kehre zurück! Und ich schwöre bei meinen Ahnen, daß ich keine Hand gegen dich erheben werde.“
    Lygia dachte einen Augenblick nach und sagte:
    „Nein, ich darf die mir Nahestehenden keiner Gefahr aussetzen. Der Cäsar ist dem Hause des Plautius nicht gewogen. Kehrte ich zurück, so würde dies in einer Stadt, wo bekanntlich die Sklaven jede Neuigkeit verbreiten, sofort zum Tagesgespräch werden. Auch zu Neros Ohren käme die Neuigkeit. Aulus und Pomponia würden bestraft – die geringste Strafe wäre wohl die, daß man mich ihnen ein zweites Mal entrisse.“
    „Das ist richtig“, erwiderte Vinicius stirnrunzelnd, „das wäre möglich. Nero würde so handeln, einzig um zu zeigen, daß sein Wille zu geschehen habe. Es ist wahr, daß er dich nur vergessen hat, weil eben nicht er, sondern ich einen Verlust erlitt. Doch vielleicht würde er dich Aulus und Pomponia nur wegnehmen, um dich mir zu überlassen, und ich gäbe dich ihnen zurück.“
    „Vinicius, möchtest du mich noch einmal auf dem Palatiri sehen?“ fragte Lygia.
    „Nein! Du hast recht! Ich rede wie ein Tor! Nein!“
    Und vor seinem Geiste öffnete sich ein Abgrund. Er war Patrizier, ein Tribun im römischen Heer, ein mächtiger Mann; aber über allen Persönlichkeiten der Welt, der er angehörte, stand ein Wahnwitziger, und was dessen Laune und Bosheit fordern mochten, konnte kein Mensch voraussehen. Nur Leuten wie den Christen war es möglich, weder mit Nero rechnen noch ihn fürchten zu müssen – Leuten, denen die ganze Welt mit den Trennungen, die sie verlangte, den Leiden, die sie auferlegte, als ein Nichts erschien, als ein Nichts selbst der Tod. Alle anderen hatten vor ihm zu zittern. Vinicius gewann jetzt einen Blick in den Abgrund seiner Zeit, in den furchtbaren Umfang des Grauens. Er konnte Lygia Aulus und Pomponia nicht zurückgeben, aus Furcht, das Ungeheuer Nero möchte sich ihrer erinnern und seinen Zorn an ihr auslassen; nähme er Lygia zum Weibe, würde er aus demselben Grunde sie, sich selber und Aulus dieser Gefahr aussetzen. Schon eine augenblickliche üble Laune konnte sie alle vernichten. Zum erstenmal wurde es Vinicius klar, daß entweder die Welt verändert, ja umgestaltet werden müsse oder das Leben zur Unmöglichkeit würde. Er verstand auch, was ihm kurz zuvor noch dunkel gewesen war, daß in solchen Zeiten nur die Christen glücklich sein könnten.
    Mehr aber als all dieses beschäftigte ihn der Kummer darüber, daß er es war, der sein eigenes und Lygias Leben so verwirrt hatte, daß sich aus diesem Gewebe kaum ein Ausweg bot. Unter dem Einfluß dieser Sorge begann er wieder:
    „Weißt du, daß du glücklicher bist als ich? Du lebst in Armut, in diesem einzigen Zimmer, unter einfachen Leuten, du hast deine Religion, deinen Christus; ich aber habe nur dich, und als du mir fehltest, war ich gleich einem Bettler ohne Obdach und Brot. Du bist mir teurer als die ganze Welt. Ich suchte dich, denn ich konnte ohne dich nicht leben; es gab weder Feste noch Schlaf für mich. Hätte mich nicht die Hoffnung, dich zu finden, aufrechterhalten, so hätte ich mich in mein Schwert gestürzt. Allein ich fürchte den Tod; denn wäre ich tot, so könnte ich dich nicht mehr sehen. Ich spreche die Wahrheit, wenn ich sage, daß ich ohne dich nicht zu leben vermag. Nur die Zuversicht, dich zu finden und zu sehen, hat mich bisher aufrechterhalten. Erinnerst du dich unserer Gespräche bei Aulus? Einst zeichnetest du mir einen Fisch in den Sand, aber ich kannte seine Bedeutung nicht. Denkst du noch an unser Ballspiel? Ich liebte dich schon damals mehr als mein Leben, und du ahntest es auch. Aulus erschreckte uns mit Libitina und unterbrach unser Gespräch. Beim Abschied sagte Pomponia dem Petronius, daß Gott einzig, allmächtig

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