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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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hörte er sie doch mit Vergnügen an; es schmeichelte seinem großen Familienstolze, daß Lygias königliche Abkunft durch einen erprobten Diener ihres Hauses bestätigt sei. Als eines Königs Tochter konnte sie am Hofe des Cäsars dieselbe Stellung einnehmen wie die Töchter der ersten römischen Patrizier, um so mehr, als die Nation, deren Herrscher ihr Vater gewesen war, bisher mit Rom nicht im Kriege gelegen hatte. Gefährlich konnten die Lygier, obgleich nur Barbaren, den Römern allerdings werden; denn nach den Berichten des Atelius Hister besaßen sie eine bedeutende Kriegsmacht. Das bestätigte denn auch Ursus.
    „Wir leben in Wäldern“, antwortete er Vinicius, „haben aber soviel Land, daß niemand dessen Grenzen kennt, und sind ein zahlreiches Volk. Wir haben aus Holz gebaute Städte, in denen Überfluß herrscht; denn was die Semnonen, Markomannen, Vandalen und Quaden in der weiten Welt plündern, nehmen wir ihnen wieder ab. Sie wagen es nicht, bei uns einzufallen, bei günstigem Winde jedoch legen sie unsere Wälder in Asche. Wir fürchten weder sie noch den römischen Kaiser.“
    „Die Götter verliehen den Römern die Oberherrschaft über die Erde“, sagte Vinicius in strengem Tone.
    „Die Götter sind böse Geister“, erwiderte Ursus einfach, „und wo keine Römer sind, da gibt es auch keine Oberherrschaft.“
    Dabei betrachtete er das Feuer und sprach wie zu sich selber:
    „Als der Cäsar Lygia zum Palaste rief und ich meinte, es könnte ihr ein Leid widerfahren, da fühlte ich das Bedürfnis, in unsere Wälder zurückzukehren und Lygier zu holen, damit sie ihres Königs Tochter zu Hilfe kämen. Und die Lygier würden nach der Donau gezogen sein; denn sie sind tapfer, wenn auch Heiden. Dort hätte ich ihnen die ‚Frohe Botschaft‘ gebracht. Aber wenn je Lygia zu Pomponia Graecina zurückkehrt, will ich mich vor ihr niederwerfen und sie um Erlaubnis bitten, zu meinen Stammesgenossen zurückkehren zu dürfen. Christus wurde so fern von ihnen geboren; wäre er in unsern Wäldern zur Welt gekommen, wir hätten ihn nicht zu Tode gemartert, das ist gewiß. Wir hätten das Christuskind bewacht, es ihm nie an Zeitvertreib, auch nicht an Pilzen, Biberfellen oder Bernstein fehlen lassen. Was wir bei den Markomannen und Sueven geraubt, hätten wir ihm gegeben, damit es in Reichtum und Bequemlichkeit lebte.“
    Während dieses Selbstgespräches stellte er die Suppe für Vinicius aufs Feuer und schwieg dann. Seine Gedanken waren offenbar in weiter Ferne, in der lygischen Wildnis, und blieben dort, bis das Essen zu kochen begann; nun goß er es in ein flaches Gefäß, ließ es sorgfältig sich abkühlen und sagte dann:
    „Glaukos rät dir, auch deinen gesunden Arm so wenig wie möglich zu bewegen, und Lygia hat mir deshalb befohlen, dir die Nahrung zu reichen.“
    Lygia hat befohlen! Darauf gab es keine Einwendung. Es kam Vinicius nicht in den Sinn, sich ihrem Willen zu widersetzen, so wenig wie dem der Tochter des Cäsars oder einer Gottheit. Er sprach darum kein Wort, und Ursus, der sich an seinem Bette niedergelassen hatte, goß die Suppe in eine kleine Schale aus und setzte sie an den Mund des Vinicius. Er tat dies mit so großer Behutsamkeit und so wohlwollendem Lächeln, daß Vinicius seinen Augen kaum traute, in ihm den schrecklichen Titanen nicht mehr erkannte, der am Tage zuvor Kroton erwürgt, auch ihn gleich einem Orkan erfaßt und ohne Lygias Einspruch sicher auch in Stücke zerrissen hätte. Zum erstenmal in seinem Leben grübelte der junge Patrizier darüber nach, was in der Brust eines einfachen Mannes, eines Barbaren, eines Dieners, für Empfindungen wohnen könnten.
    Aber Ursus erwies sich als ein ebensosehr bemühter wie unbeholfener Krankenpfleger. Die Schale verschwand so vollständig zwischen seinen gewaltigen Fäusten, daß der kranke Mann nicht wußte, wohin er seinen Mund setzen sollte. Nach einigen ungeschickten Versuchen wurde Ursus ganz verlegen und sagte:
    „Ei, es würde leichter sein, einen Auerochsen aus seiner Schlinge zu befreien!“
    Die Fürsorge des Lygiers amüsierte Vinicius, aber dessen letzte Bemerkung interessierte ihn nicht weniger. Er hatte im Zirkus den schrecklichen Ur aus der Wildnis des Nordens gesehen, dem selbst die kühnsten Bestiarii nur mit Beben entgegentraten und der nur dem Elefanten an Größe und Stärke nachstand.
    „Hast du je versucht, diese Tiere an den Hörnern zu packen?“ erkundigte er sich mit Erstaunen.
    „Während der ersten zwanzig

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