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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Winter meines Lebens fürchtete ich mich“, antwortete Ursus, „aber danach kam das nicht mehr vor.“
    Und er bediente Vinicius noch ungeschickter.
    „Ich muß Miriam oder Nazarius darum bitten“, sagte er endlich.
    Aber jetzt erschien Lygias zartes Angesicht hinter dem Vorhang.
    „Ich will sofort helfen“, sagte sie.
    Nach einer kleinen Weile kam sie aus dem Cubiculum, wo sie offenbar Vorbereitungen zur Ruhe getroffen hatte, denn sie trug eine einfache, bis zum Halse geschlossene Tunika, ein sogenanntes Capitium, und gelöstes Haar. Vinicius, dessen Herz bei ihrem Anblick rascher schlug, wollte nicht, daß sie sich des Schlafes beraube; aber sie sprach freundlich:
    „Ich war zwar gerade dabei, schlafen zu gehen, zuerst jedoch will ich die Stelle des Ursus versehen.“
    Sie nahm die Schale und reichte die Flüssigkeit dem gerührten und entzückten Vinicius. Vor innerer Bewegung wurde er blaß; in dieser Verwirrung wurde ihm aber klar, daß es für ihn ein über alles teures Haupt gebe, dem gegenüber die ganze Welt wertlos sei. Zuerst hatte er sie nur begehrt, jetzt fing er an, sie aus tiefstem Herzen zu lieben; zuerst war er, wie alle seine Zeitgenossen, im Leben und Fühlen ein blinder, absoluter Egoist gewesen, der nur an sich selber gedacht hatte, jetzt dachte er auch an ein anderes Wesen.
    Deshalb bat er sie bald, sich nicht länger seinetwegen zu bemühen, und obgleich er ein unnennbares Glück in ihrer Gegenwart empfand, sagte er doch:
    „Genug! Geh zur Ruhe, meine Göttliche!“
    „Rede nicht in solchen Worten zu mir“, antwortete Lygia, „es schickt sich nicht für mich, solches zu hören.“
    Der Ausdruck ihres Gesichts blieb jedoch freundlich, und sie sagte, daß sie doch nicht schlafen könne; sie fühle auch keine Beschwerden und wolle nicht zur Ruhe gehen, bis Glaukos käme. Er lauschte ihren Worten, als wären sie Musik; sein Herz füllte sich mit steigendem Entzücken, und er wußte nicht, wie er ihr seine wachsende Dankbarkeit bezeigen sollte.
    „Lygia“, sagte er nach einem Augenblick des Schweigens, „ich habe dich bisher nicht gekannt. Jetzt aber weiß ich, daß ich dich auf falschem Wege zu erlangen suchte; darum sage ich: Kehre zurück zu Pomponia Graecina, und sei versichert, daß sich in Zukunft meine Hand nicht gegen dich erheben soll.“
    Ihr Antlitz nahm plötzlich einen traurigen Ausdruck an.
    „Ich wäre glücklich, könnte ich Pomponia auch nur aus der Ferne sehen; aber jetzt darf ich nicht zu ihr zurückkehren.“
    „Weshalb nicht?“ fragte Vinicius erstaunt.
    „Wir Christen wissen durch Acte, was auf dem Palatin vorgegangen ist. Hast du nicht gehört, daß der Cäsar bald nach meiner Flucht, noch vor seiner Abreise nach Neapel, Aulus und Pomponia vor sich beschied und ihnen, weil er meinte, sie hätten mir dazu verholfen, mit seinem Zorne drohte? Glücklicherweise konnte ihm Aulus sagen: ‚Du weißt, Gebieter, daß nie eine Lüge über meine Lippen gekommen ist; ich schwöre dir jetzt, daß wir ihr nicht zur Flucht verholfen haben und daß wir so wenig wie du wissen, was ihr begegnet ist.‘ Der Cäsar glaubte ihm und vergaß die Sache. Auf den Rat der Ältesten habe ich auch Pomponia nie geschrieben, wo ich bin, so daß sie jederzeit ruhig beeiden kann, sie wisse nichts von mir. Du wirst dies nicht verstehen, Vinicius; aber es ist nicht erlaubt zu lügen, selbst dann nicht, wenn es sich um ein Leben handelt. Dies ist die Religion, nach der wir unsere Herzen bilden; darum habe ich Pomponia nicht wiedergesehen, seitdem ich ihr Haus verließ. Zuweilen nur erreicht sie eine Nachricht, daß ich noch am Leben und außer Gefahr bin.“
    Sehnsucht ergriff Lygia bei diesen Worten, und ihre Augen wurden feucht, aber sie fand rasch die Ruhe wieder und sagte:
    „Ich weiß, daß Pomponia ebenfalls nach mir verlangt; aber wir besitzen auch einen Trost, den andere nicht haben.“
    „Ja“, antwortete Vinicius, „Christus ist euer Trost, doch ich verstehe es nicht.“
    „Sieh uns doch an! Für uns gibt es keine Trennung, keinen Schmerz, kein Leiden; treten sie aber an uns heran, so verwandeln sie sich in Freude. Und der Tod selbst, der für euch das Ende des Lebens bedeutet, ist für uns dessen Anfang – der Austausch eines niedrigeren gegen ein höheres, eines unbeständigen gegen ein dauerndes, ewiges Glück. Sieh, was für ein kostbarer Schatz eine Religion ist, die uns Liebe selbst für die Feinde auferlegt, die uns Falschheit verbietet, die Seele vom Hasse reinigt und

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