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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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ich nur zögerte, um eine desto grausamere Strafe zu erfinden; doch ich strafte nicht, ich konnte es nicht, ich war unfähig dazu. Den dritten Tag rief ich sie zusammen und sagte: ‚Ich vergebe euch; bemüht euch, durch sorgfältige Dienstleistung euern Fehler zu verbessern!‘ Sie fielen auf die Knie, Tränen überfluteten ihre Wangen, sie streckten die Hände voll Rührung nach mir aus, nannten mich Herr und Vater; und ich – beschämt gestehe ich es – war ebenso bewegt. Ich meinte Lygias liebliches Angesicht vor mir zu sehen, zu hören, wie sie unter Tränen mir für diese Handlungsweise dankte. Und, pro pudor, ich fühlte, daß auch meine Lider sich gefeuchtet hatten. Weißt Du, was ich Dir noch bekennen will? Daß ich nichts ohne Lygia tun kann, daß es ein Übel für mich ist, allein zu sein, daß ich wirklich unglücklich bin, daß meine Traurigkeit tiefer ist, als Du Dir denken kannst. Was aber meine Sklaven anbelangt, so erregte folgendes meine Aufmerksamkeit. Nicht nur, daß die ihnen zuteil gewordene Vergebung sie nicht übermütig machte und ihre Zucht nicht lockerte, sondern das gerade Gegenteil trat ein: Nie hatte die Furcht sie zu solch rascher Dienstfertigkeit vermocht als jetzt die Dankbarkeit. Sie bedienen mich nicht bloß, sondern überbieten sich geradezu, meine Wünsche zu erraten. Ich erzähle Dir das, weil ich gestern beim Weggange von den Christen zu Paulus sagte, daß durch seine Religion die Gesellschaft auseinanderfallen müßte wie ein Faß ohne Reifen, worauf er antwortete: ‚Die Liebe ist stärker als die Furcht.‘ Jetzt sehe ich, daß seine Meinung in manchen Fällen richtig sein kann. Ich habe sie auch bei meinen Schuldnern erprobt, die, nachdem sie von meiner Rückkunft gehört, sich sofort beeilten, mich zu begrüßen. Du weißt, ich war nie hart gegen sie; aber mein Vater behandelte sie aus Grundsatz hochmütig und lehrte mich, es ebenso zu tun. Bei dem Anblick ihrer abgetragenen Mäntel und ausgehungerten Gesichter erfaßte mich nun eine Art Mitgefühl. Ich ließ ihnen Speise bringen und sprach überdies mit ihnen, die einen nannte ich beim Namen, die anderen fragte ich nach Weib und Kind; und wieder kamen mir die Tränen in die Augen, und wieder war es mir, als sähe ich Lygia, lobend, was ich tat, entzückt darüber. Irrt mein Geist, oder verwirrt die Liebe mein Gefühl? Ich kann es nicht feststellen. Ich meine beständig, sie sehe aus der Ferne auf mich, und ich erschrecke vor einer Tat, die sie betrüben oder beleidigen könnte.
    So ist es, Gajus! Die Christen haben eine Veränderung in mir bewirkt, und oft bin ich froh darüber. Dann aber quält mich auch wieder der Gedanke, meine Männlichkeit und Willenskraft seien von mir genommen, ich werde unbrauchbar für Beratungen, Rechtsprechung, Feste, selbst für den Krieg. Das ist unzweifelhaft Zauberei! Und so sehr bin ich verändert, daß mir, als ich verwundet lag, folgendes durch den Kopf zog: Wäre Lygia wie Nigidia, Poppäa, Crispinilla und andere geschiedene Frauen, wäre sie so schlecht, so erbarmungslos, so gemein, so würde ich sie jetzt nicht mehr lieben. Aber weil ich sie um dessentwillen liebe, was uns trennt, so kannst Du Dir das Chaos in meiner Seele denken, das Dunkel, in dem ich lebe, magst begreifen, daß ich keinen bestimmten Weg vor mir sehe und nicht weiß, was anfangen. Wenn das Leben einer Quelle verglichen werden kann, so findet sich in meinem Lebensquell Unruhe statt Wasser. Die Hoffnung, daß ich Lygia vielleicht sehen werde, erhält mich, manchmal scheint mir dies auch gewiß. Was in einem oder zwei Jahren aus mir werden mag, kann ich nicht sagen, kann es mir auch gar nicht denken. Ich werde Rom nicht verlassen. Die Gesellschaft in der Umgebung des Kaisers könnte ich nicht ertragen, zudem finde ich in meiner Trauer und Unruhe einzig in dem Gedanken noch Trost, daß ich Lygia nahe bin und durch Glaukos, den Arzt, der mir seinen Besuch versprach, oder Paulus von Tarsus zuweilen etwas von ihr erfahren werde. Nein, ich würde Rom nicht verlassen, selbst wenn Du mir die Statthalterschaft über Ägypten anbötest. Zum Schluß sollst Du noch erfahren, daß ich den Bildhauer beauftragte, dem Gulo, den ich im Zorn erschlagen, ein Denkmal zu errichten. Zu spät war mir eingefallen, daß er mich einst auf seinen Armen getragen und zuerst gelehrt hatte, wie man den Pfeil auf den Bogen legt. Ich weiß nicht, wie es kam, daß die Erinnerung an ihn mir zum Kummer und Vorwurf wurde. Wenn Du über den Inhalt meines

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