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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Begehrte sie solche Dinge, so könnte ich wohl den Willen haben, ihr zu willfahren, die Ausführung aber läge nicht in meiner Macht. Ich bin kein Philosoph, doch auch nicht so wenig feingeistig, wie Du vielleicht oft schon glaubtest, und behaupte deshalb folgendes: Wie die Christen ihr Leben führen, ist mir unbekannt. Aber das weiß ich: Wenn ihre Religion siegt, so endet die römische Herrschaft, Rom selbst, unsere Art zu leben, endet der Unterschied zwischen Besiegten und Siegern, reich und arm, Herren und Sklaven, endet das Cäsarentum, das bisherige Gesetz, die heutige Weltordnung; Christus wird dann herrschen mit einer uns unbekannten Barmherzigkeit, einer Güte, die den menschlichen und römischen Trieben geradezu entgegengesetzt ist. Gewiß ist mir Lygia teurer als Rom mit all seinen Vornehmen, die ganze gegenwärtige Gesellschaft könnte zugrunde gehen, wenn ich Lygia dann besitzen könnte.
    Dem aber steht noch etwas anderes entgegen. Bloß äußere Zustimmung genügt den Christen nicht; man muß tief im Herzen von der Wahrheit der Lehre durchdrungen sein und darf nichts ihr Fremdartiges in der Seele dulden. Dies aber übersteigt meine Kräfte, die Götter sind meine Zeugen! Verstehst Du, was das heißt? In meiner Natur ist ein Etwas, das vor dieser Religion schauert; wollte ich sie mit meinen Lippen verherrlichen, mich ihren Vorschriften fügen, so würde mein Geist, meine Vernunft mir sagen, daß dies nur um Lygias willen geschehe und daß, wenn ich mir Lygia ohne diese Religion vorstellte, auf der ganzen Welt mich nichts mehr abstieße als gerade diese Religion. Und eigentümlicherweise erraten dies Paulus von Tarsus und der alte Theurgos Petrus, der Christi Jünger war und trotz seiner Einfalt und niedrigen Herkunft der Höchste unter den Christen ist. Weißt du, was sie tun? Sie beten für mich und flehen etwas auf mich herab, was sie Gnade nennen. Aber nichts steigt hernieder als Unruhe und noch größeres Verlangen nach Lygia.
    Ich habe Dir geschrieben, daß sie sich heimlich entfernt hat, doch ließ sie mir ein Kreuz zurück, das sie selber aus Buchsbaumzweigen zusammengefügt hat. Beim Erwachen fand ich es neben meinem Lager. Es ist jetzt im Lararium, und ich nähere mich ihm mit heiliger Scheu und Verehrung, ohne zu wissen, warum, als ob etwas Göttliches darin verborgen läge. Ich liebe es, weil ihre Hand es geformt, ich hasse es, weil es uns trennt. Manchmal scheint es mir, eine Art Zauber stecke in all diesen Dingen, und der Theurgos Petrus, obwohl er sich nur einen einfachen Hirten nennt, sei größer als Apollonius und dessen Vorgänger, er habe uns alle, Lygia, Pomponia und mich, zu den Seinigen gezogen.
    Du hast geschrieben, daß man zwischen den Zeilen meines letzten Briefes Unruhe und Traurigkeit lesen könnte. Traurigkeit mußte darin liegen, weil ich Lygia wieder verloren habe, Unruhe, weil etwas in mir sich in unbegreiflicher Weise geändert hat. Ich sage Dir offen, nichts ist für meine Natur abstoßender als diese Religion, und doch kenne ich mich selber nicht mehr, seitdem ich Lygia begegnete. Ist es Zauberei oder Liebe? Circe verwandelte durch ihre Berührung die Körper; bei mir aber ist die Seele verwandelt. Nur Lygia konnte das bewirken, und zwar nur durch die wunderbare Religion, zu der sie sich bekennt. Als ich von den Christen nach meinem Hause zurückkehrte, erwartete mich niemand. Die Sklaven glaubten, ich sei in Benevent und würde nicht so schnell wiederkehren; darum herrschte allenthalben Unordnung. Ich fand sie betrunken bei einem Feste, das sie sich im Triclinium gaben. Sie hätten eher an den Tod als an mich gedacht und hätten bei seinem Erscheinen nicht mehr erschrecken können. Du weißt, mit welch fester Hand ich meinen Haushalt leite; alle bis zum letzten fielen darum auf die Knie, einige wurden sogar ohnmächtig. Höre nun, was ich tat! Zuerst wollte ich nach Ruten und glühenden Eisen rufen, sofort jedoch ergriff mich ein Gefühl der Scham und – wirst Du es glauben? – eine Art Mitleid mit diesen elenden Menschen. Es fanden sich alte Sklaven darunter, die mein Großvater Marcus Vinicius zur Zeit des Augustus vom Rhein mitbrachte. Nun begab ich mich zur Bibliothek, die ich selbst aufschloß; dort kamen mir noch merkwürdigere Gedanken. Nach dem, was ich bei den Christen gehört und gesehen hatte, durfte ich die Sklaven nicht mehr behandeln wie bisher – sie sind auch Menschen. Diese aber lebten die folgenden Tage in wahrer Todesangst, fest überzeugt, daß

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