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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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war der Zenturio hier mit dem Bericht, daß er Lygia in den Palast geleitet und unter Actes Obhut gestellt habe. Sie ist eine gute Seele, diese Acte; deshalb ließ ich die Geisel ihr anvertrauen. Offenbar ist Pomponia Graecina selbst dieser Ansicht; denn sie schrieb an Acte. Morgen gibt Nero ein Gastmahl. Ich wirkte für dich einen Platz neben Lygia aus.“
    „Verzeih mir meine Voreiligkeit, Petronius. Ich glaubte, du habest sie für dich oder den Cäsar begehrt.“
    „Deine Voreiligkeit kann ich dir verzeihen; schwieriger ist es, rohe Manieren, pöbelhaftes Geschrei und eine Stimme, die an einen Moraspieler erinnert, zu verzeihen. Ich hasse diese Art; hüte dich, Marcus. Wisse, daß nicht ich, sondern Tigellinus Neros Kuppler ist; doch wisse auch, daß, wenn ich jetzt das Mädchen für mich haben wollte, ich dir gerade ins Gesicht sehen und sagen würde: ‚Marcus, ich nehme dir Lygia und behalte sie, bis ich ihrer überdrüssig bin.‘ “
    Bei diesen Worten begann er Marcus mit so kaltem, hochmütigem Blick zu messen, daß der junge Mann jede Fassung verlor.
    „Ich habe falsch gehandelt“, sprach er. „Du bist gütig und ehrenhaft. Von ganzem Herzen danke ich dir. Nur eine Frage gestatte mir noch: Warum ließest du Lygia nicht gleich in meine Wohnung führen?“
    „Weil Nero den Schein zu wahren wünscht. Die Entfernung der Geisel wird Stadtgespräch werden. Solange dies dauert, bleibt Lygia im Palast. Nachher wird sie in aller Stille zu dir geführt, und die Sache hat ein Ende. Der Feuerbart ist ein feiger Hund. Obwohl er weiß, daß seine Macht unbegrenzt ist, will er doch jeder Handlung einen Schein des Rechts geben. Hast du dich soweit erholt, um ein wenig philosophieren zu können? Nun, mehr als einmal habe ich mich gefragt: Warum trachtet das Verbrechen, selbst dann, wenn es in der Gestalt eines mächtigen, jeder Strafe enthobenen Cäsars auftritt, stets nach dem Anschein von Wahrheit, Gerechtigkeit und Tugend? Warum macht er sich all diese Mühe? Ich bin der Meinung, die Ermordung einer Mutter, eines Bruders oder Weibes schickt sich für einen unbedeutenden asiatischen König, aber nicht für einen römischen Cäsar; wenn ich dennoch so etwas beginge, würde ich keine entschuldigenden Briefe an den Senat schreiben. Doch Nero tut es. Nero will den Schein wahren, weil er ein Feigling ist. Tiberius freilich war kein Feigling, und dennoch rechtfertigte er jeden seiner Schritte. Warum dies? Welch seltsame, unfreiwillige Unterwerfung des Lasters unter die Tugend! Und weißt du, was mir dabei am meisten auffällt? Der Umstand, daß dies geschieht, weil Übertretung häßlich, Tugend schön ist. Folglich ist ein ästhetisch fühlender Mensch tugendhaft. Also bin ich tugendhaft. Ich muß heute noch den Manen des Protagoras, des Prodicus und des Gorgias eine Weinspende opfern, denn es scheint, daß auch Sophisten von Nutzen sein können. Höre weiter. Ich nahm Lygia von Aulus, um sie dir zu geben. Gut. Lysippus würde eine wundervolle Gruppe aus euch gemacht haben. Ihr seid beide schön; folglich ist meine Handlung schön, und da sie schön ist, kann sie nicht schlecht sein. Marcus, vor dir sitzt die Tugend, verkörpert in Gaius Petronius! Lebte Aristides noch, so wäre es seine Pflicht, zu mir zu kommen und mir hundert Minen anzubieten für meinen Vortrag über die Tugend.“
    Doch Marcus interessierte sich wenig für Gespräche über die Tugend und sagte:
    „Morgen werde ich Lygia sehen und sie dann täglich, immer, bis zum Tode bei mir in meinem Hause haben und mit ihr glücklich sein.“
    „Ja, du wirst Lygia besitzen, während ich Aulus auf dem Halse habe. Er wird die Rache aller unterirdischen Götter auf mich hetzen. Wenn der Kerl wenigstens vorher Unterricht in guter Deklamation nehmen wollte! Aber er wird auf mich losfahren wie mein früherer Türhüter auf meine Klienten; den schickte ich dafür aufs Land und ins Ergastulum.“
    „Aulus war bei mir. Ich versprach, ihm Nachricht von Lygia zu geben.“
    „Schreibe ihm, Cäsars Wille sei oberstes Gesetz, und dein erster Sohn werde den Namen Aulus tragen. Der alte Mann muß doch einen Trost haben. Ich will den Feuerbart ersuchen, ihn morgen zum Feste einzuladen. Dort soll er dich im Triclinium neben Lygia sehen.“
    „Tu das nicht. Die Leute dauern mich, besonders Pomponia.“
    Darauf setzte sich Marcus Vinicius hin, um jene Zeilen niederzuschreiben, die Aulus den Rest seiner Hoffnung zerstörten.

VII
    Die stolzen Häupter Roms hatten sich einst vor

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