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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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waren auf ihn gerichtet. Doch zuvor ließ er Poppäa melden, er sei im Begriff zu singen, und entschuldigte vor den Gästen ihre Abwesenheit mit Unwohlsein; da jedoch keine Arznei ihr so gut helfe wie sein Gesang, wolle er sie dieser Gelegenheit nicht berauben.
    In der Tat erschien Poppäa bald. Sie hatte bis jetzt Nero wie einen Untertanen beherrscht, wußte aber, daß es gefährlich war, seine Eitelkeit als Sänger, Dichter oder Wagenlenker zu verletzen. Sie erschien deshalb, schön wie eine Göttin, gleich Nero in amethystfarbene Gewänder gekleidet, um den Hals eine Kette unermeßlich kostbarer Perlen, die einst dem Massinissa geraubt worden waren. Sie war goldhaarig, lieblich und zeigte, obschon von zwei Männern geschieden, das Gesicht einer Jungfrau.
    Laute Zurufe: „Göttliche Augusta!“ begrüßten sie. Nie zuvor hatte Lygia eine solche Schönheit erblickt und traute kaum ihren Augen; denn sie kannte Poppäa Sabina als eines der verworfensten Weiber auf Erden. Sie wußte durch Pomponia, daß Poppäa Nero angetrieben hatte, Mutter und Weib zu ermorden; sie kannte sie aus Erzählungen, die sie bei Aulus von Besuchern und Dienern gehört hatte; sie wußte, daß in Rom Statuen von ihr nachts herabgestürzt worden waren, und hatte auch von Inschriften vernommen, deren Verfasser die schwersten Strafen erlitten und die trotzdem jeden Morgen erneut an den Mauern der Stadt sichtbar waren. Doch beim Anblick dieser berüchtigten Poppäa, die bei den Bekennern Christi als ein eingefleischter Teufel galt, schien es ihr, daß nur Engel oder himmlische Geister so aussehen könnten. Sie war geradezu unfähig, die Augen von ihr abzuwenden, und fragte unwillkürlich:
    „Ach, Marcus, ist das möglich?“
    Er jedoch, vom Weine erregt und unwillig darüber, daß so viele Dinge ihre Aufmerksamkeit ablenkten und das Gespräch mit ihm unterbrachen, sagte:
    „Ja, sie ist schön, doch tausendmal schöner bist du. Du kennst dich selbst nicht, du würdest sonst in dich verliebt sein wie Narcissus. Schaue nicht auf sie, schau auf mich. Ocelle mi! Berühre diesen Weinbecher mit deinen Lippen, so will ich die meinigen an der gleichen Stelle ansetzen.“
    Er rückte näher und näher, so daß Lygia sich gegen Acte hin zurückzog. Jetzt aber trat plötzliche Stille ein – Nero hatte sich erhoben. Der Sänger Diodoros hatte ihm eine Laute jener Art, die man Delta nannte, hingereicht; ein zweiter Sänger, Terpnos, der den Kaiser spielend zu begleiten hatte, trat mit einem Nablium – einem Saiteninstrument – herzu. Das Delta auf den Tisch stützend, erhob Nero die Augen; eine Weile herrschte tiefes Schweigen, nur vom Rauschen herabfallender Rosen unterbrochen.
    Dann begann er seine Hymne an Venus zu singen oder, besser gesagt, zu deklamieren, unter Begleitung der beiden Lauten. Weder die Stimme, obschon etwas angegriffen, noch die Verse waren schlecht, so daß Lygia abermals Gewissensbisse bekam; denn die Hymne, obwohl sie die heidnische, unkeusche Venus verherrlichte, kam ihr mehr als schön vor; auch der Cäsar, mit erhobenem lorbeerumkränztem Haupte, schien ihr edler, viel weniger furchtbar und abstoßend als beim Beginn des Gelages. Donnernder Beifall war der Dank. Rufe: „Welche Götterstimme!“ erklangen rundherum; einige Frauen erhoben die Arme und hielten sie zum Zeichen des Entzückens hoch, als der Gesang schon zu Ende war, andere wischten sich Tränen aus den Augen. Poppäa beugte ihr goldhaariges Haupt, zog Neros Hand an die Lippen und hielt sie lange wortlos fest. Pythagoras, ein junger Grieche von wunderbarer Schönheit – der nämliche, dem später der halb wahnsinnige Nero durch die Flaminen mit allen Riten sich wollte antrauen lassen –, kniete jetzt zu seinen Füßen nieder.
    Doch Nero blickte gespannt auf Petronius, nach dessen Lob ihn vor allem verlangte und der nun sagte:
    „Was die Musik betrifft, so muß Orpheus in diesem Augenblick vor Neid so gelb wie Lucanus sein. In bezug auf die Verse bedauere ich, daß sie nicht schlechter sind; wären sie es, dann vermöchte ich vielleicht ihr Lob in Worte zu fassen.“
    Die Erwähnung des Neides nahm Lucanus ihm nicht übel, er war Petronius eher dankbar und begann zu murmeln, indem er schlechte Laune heuchelte:
    „Verfluchtes Fatum, das mich zum Zeitgenossen eines solchen Dichters machte. Ich würde sonst einen Namen und Platz auf dem Parnassos errungen haben; so jedoch muß ich verschwinden wie Kerzenlicht vor der Sonne.“
    Petronius, der ein erstaunliches

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