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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Tiberseite zu kommen. Der Entschluß war nicht leicht auszuführen; denn der Wirrwarr auf der Appischen Straße nahm jeden Augenblick zu. Er mußte sich mit dem Schwerte den Weg zu bahnen suchen. Vinicius hatte keine Waffen; er hatte Antium sogleich verlassen, als die Kunde vom Brande Roms dort eingetroffen war. Beim Brunnen des Merkur sah er einen ihm bekannten Zenturio, der an der Spitze einiger vierzig Soldaten die Vorhalle des Tempels verteidigte. Er befahl ihm zu folgen. Der Zenturio erkannte in ihm den Tribun und Augustianer und gehorchte.
    Vinicius übernahm selber den Befehl über die Abteilung. Er vergaß die Lehren des Paulus von der Nächstenliebe und durchritt die Menge mit einer Hast, die manchem übel bekam, der nicht zeitig genug auszuweichen vermochte. Flüche und ein Hagel von Steinen folgten ihm und seinen Leuten. Er achtete nicht darauf, sondern suchte sobald wie möglich weniger belebte Wege zu erreichen. Die Schwierigkeit wuchs von Minute zu Minute. Leute, die sich gelagert hatten, wollten nicht ausweichen und äußerten Flüche gegen den Cäsar und die Prätorianer. Bisweilen nahm die Menge eine drohende Haltung an. Vinicius vernahm Rufe, die Nero der Brandstiftung beschuldigten und ihm sowie Poppäa mit dem Tode drohten. Die Wörter „sannio“ – Hanswurst –, „histrio“ – Schauspieler –, „Muttermörder“ flogen herum. Einige schrien, man solle Nero in den Tiber werfen, andere, Roms Geduld sei zu Ende. Es war leicht zu sehen, daß nur ein Anführer fehlte, um diese Drohungen zu offenem Aufruhr zu steigern. So aber wandte sich die Wut der Menge gegen die Prätorianer, deren Aufgabe, Vinicius einen Weg zu bahnen, dadurch erschwert wurde, daß die Straße durch Barrikaden von geretteten Waren, Kisten, Proviantfässern, kostbaren Möbeln, Gefäßen, Kinderwiegen, Betten, Karren und Handgepäck versperrt war. Da und dort entstand ein Handgemenge, wobei die bewaffneten Prätorianer natürlich leicht Sieger blieben. Nachdem sie mit Mühe die Via Latina, Numitia, Ardeatina, Lavinia und Ostiensis durchritten hatten und an Villen, Gärten, Friedhöfen und Tempeln vorbeigeflogen waren, erreichte Vinicius endlich den Vicus Alexandri, wo er über den Tiber gelangte. Die Luft war dort weniger heiß und raucherfüllt. Von Flüchtlingen, die in großen Scharen ihm begegneten, vernahm er, daß nur bestimmte Gassen jenseits des Tibers brannten, daß aber nichts dem Feuer Einhalt tun könne, da gewisse Leute es absichtlich weiter trügen und jeden Löschversuch hinderten, indem sie vorgäben, auf Befehl zu handeln. Der junge Krieger war nun überzeugt, daß Nero die Stadt habe in Brand stecken lassen, und die Rache, nach der das Volk schrie, schien ihm gerecht und verdient. Was hätte Mithridates oder sonst einer der erbittertsten Feinde Roms Ärgeres tun können? Das Maß war übervoll; Neros Tollheit war ins Ungeheure gewachsen. Das Leben des Volkes war durch ihn in Gefahr. Vinicius glaubte, Neros Stunde habe geschlagen, die Trümmer dieser Stadt müßten das possenreißende Scheusal samt seinen Verbrechen unter sich begraben. Sollte ein Mann sich finden, der bereit wäre, sich an die Spitze eines verzweifelnden Volkes zu stellen, so würde dieses Schicksal den Cäsar in den nächsten Stunden schon ereilen. Verwegene Rachegedanken flogen durch Vinicius’ Sinn. Wenn er der Mann sein wollte? Seine Familie, die sich einer langen Reihe von Ahnen rühmte, war in ganz Rom wohlbekannt. Ein Name war alles, was die Menge brauchte. Damals bei der Hinrichtung von vierhundert Sklaven des Präfekten Pedanius Secundus stand Rom am Rande des Aufruhrs und des Bürgerkrie ges. Was stand erst jetzt zu erwarten, angesichts dieses entsetzlichen Unglücks, wie Rom ein solches im Verlaufe von acht Jahrhunderten nie erlebt hatte? Wer jetzt die Quinten unter Waffen riefe, dachte Vinicius, würde ohne Zweifel Nero stürzen und den Purpur erlangen. Warum sollte er es nicht tun, der energischer und jünger als die anderen Augustianer war? Wohl war Nero der Herr von dreißig an den Grenzen des Reiches stationierten Legionen; doch würden diese Legionen und ihre Anführer bei der Nachricht vom Brande Roms sich nicht empören? In diesem Fall stände Vinicius der Weg zum Throne offen. Unter den Augustianern ging sogar das Gerücht um, ein Wahrsager habe Otho die Krone geweissagt. Worin war ihm denn Otho überlegen? Vielleicht würde Christus selber mit seiner göttlichen Macht ihm zu Hilfe kommen; wohl möglich, daß die

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