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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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die Insula brannte, sondern auch der größere Teil der Straße, wo Lygias Wohnung stand.
    Der junge Tribun erinnerte sich, daß Linus’ Haus von einem Garten umgeben war. Zwischen diesem Garten und dem Tiber lag ein kleines, unbebautes Feld. Dies beruhigte ihn einigermaßen. Das Feuer mochte dort aufgehalten worden sein. In dieser Hoffnung stürzte er vorwärts, obschon jeder Luftzug ihn nicht nur in Rauch einhüllte, sondern mit einer Unzahl Funken bedeckte; der Funkenflug konnte schnell das andere Ende der Straße in Brand setzen und ihm dadurch der Rückweg abgeschnitten werden.
    Endlich erblickte er durch den Rauch hindurch die Zypressen in Linus’ Garten. Die Häuser jenseits des unbebauten Feldes brannten lichterloh; doch Linus’ kleines Anwesen stand noch unversehrt. Vinicius warf einen dankerfüllten Blick zum Himmel empor und stürzte auf das Haus zu, obschon die bloße Luft ihn zu versengen drohte. Die Tür war geschlossen; er stieß sie ein und sprang ins Haus.
    Nichts regte sich im Garten; auch das Haus schien leer zu sein.
    „Vielleicht sind sie infolge der Glut und des Rauches ohnmächtig geworden“, dachte Vinicius.
    „Lygia! Lygia!“ rief er.
    Tiefe Stille. Nur das Prasseln des nahen Feuers war zu hören.
    „Lygia!“
    Plötzlich ertönte jenes unheimliche Gebrüll, das er damals im Garten gehört hatte. Offenbar war das Vivarium beim Tempel des Äskulapius auf der benachbarten Insel in Brand geraten. Vinicius schauderte. Zum zweitenmal, seit sein Sinnen ganz auf Lygia gerichtet war, klangen ihm diese schrecklichen Stimmen wie Posaunen des Gerichts und einer furchtbaren Zukunft.
    Aber dieser Eindruck verging schnell, denn das Feuer, schrecklicher als das Brüllen der wilden Tiere, ließ ihn an anderes denken. Keine Antwort erklang auf sein Rufen; doch konnte Lygia ohnmächtig oder der Erstickung nahe sein. Vinicius stürzte in die inneren Räume. Das kleine Atrium war leer, aber raucherfüllt. Nach der Tür tastend, die in das Cubiculum führte, erblickte er das Flämmchen einer kleinen Lampe und erkannte hinzutretend das Lararium, in dem statt der Laren ein Kreuz stand. Eine Kerze brannte zu Füßen des Kreuzes. Im Kopf des Paulusschülers blitzte der Gedanke auf, nur dieses Kreuz könne ihm die Erleuchtung geben, Lygia zu finden. Er griff nach der Kerze, schob den Vorhang vor dem Cubiculum zur Seite, hielt die Kerze hinein und schaute sich um.
    Niemand war darin. Vinicius war überzeugt, Lygias Schlafgemach gefunden zu haben; denn ihre Gewänder hingen an der Wand, und auf dem Bette lag ein Capitium, ein enges Hend, wie es von Frauen auf dem Leibe getragen wurde. Vinicius riß es an sich, drückte die Lippen darauf, legte es über den Arm und setzte sein Suchen fort. Das Haus war klein, so daß er in kurzer Zeit jeden Raum, selbst den Keller, durchforscht hatte. Nirgends war eine lebende Seele zu finden. Augenscheinlich hatten Lygia, Linus und Ursus mit anderen Bewohnern der Straße ihr Heil in der Flucht gesucht.
    „Ich muß sie unter der Menge außerhalb der Stadttore suchen“, dachte Vinicius.
    Er war nicht besonders erstaunt darüber, ihnen nicht auf der Via Portuensis begegnet zu sein, da sie den Stadtteil jenseits des Tibers auch auf entgegengesetztem Wege, den Vatikanischen Hügel entlang, verlassen haben konnten. In jedem Falle war Lygia wenigstens vor dem Feuer gerettet. Ein Stein fiel ihm vom Herzen. Bei dem Gedanken an die vielen Gefahren, die mit der Flucht verbunden waren, tröstete er sich mit Ursus’ übermenschlicher Kraft.
    „Nun muß auch ich fliehen“, überlegte er, „und durch die Gärten des Domitius hindurch die Gärten der Agrippina zu erreichen suchen, wo ich sie finden werde. Der Rauch ist dort nicht so erstickend, weil von den Sabiner Bergen der Wind herweht.“
    Es war in der Tat höchste Zeit, auf die eigene Rettung bedacht zu sein. Der Feuerstrom wälzte sich näher und näher. Die Rauchwolken hüllten die Straße in tiefe Finsternis. Die Kerze erlosch im Luftzug. Vinicius verließ das Haus und sprang mit höchster Schnelligkeit der Via Portuensis zu, woher er gekommen war. Das Feuer schien ihm nachzujagen, ihn bald in Rauch einhüllend, bald mit Funken überdeckend, die auf seinem Nacken, in den Haaren und der Tunika weiterglimmten. Seine Tunika begann da und dort von ihm abzufallen; er achtete nicht darauf, sondern rannte vorwärts, um nicht zu ersticken. Seine Zunge war wie von heißer Asche belegt, Kehle und Lungen brannten ihm wie Feuer. Das Blut

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