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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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obdach- und schlaflosen Volkes die brennende Stadt wie eine sturmgepeitschte See.
    Aber weder Verzweiflung noch Gotteslästerung noch Hymnen schafften auch nur die geringste Hilfe. Das Zerstörungswerk vollzog sich so unwiderstehlich, so vollkommen und erbarmungslos wie ein unabwendbares Schicksal. Beim Pompejanischen Amphitheater ergriff das Feuer Hanfvorräte, Seile für den Zirkus und die Arena, verschiedene Geräte für die Spiele und dazu auch die anstoßenden Gebäude mit Fässern voll Pech, das zum Bestreichen der Seile diente. In wenigen Stunden war dieses Stadtviertel, das an den Campus Martius stieß, von glänzend gelben Flammen so intensiv beleuchtet, daß die vor Schrecken fast bewußtlosen Zuschauer glaubten, selbst die Ordnung von Tag und Nacht habe in dem allgemeinen Ruin aufgehört und sie sähen in den hellen Sonnenschein. Später ersetzte ein blutroter Glanz alle anderen Feuerfarben. Aus dem Flammenmeer schossen riesige Feuergarben in die Höhe, die Feuersäulen teilten sich, oben angelangt, in Zweige und Fasern; ungehemmt trug sie der Wind davon wie goldene Fäden, Haare oder Funken und fegte damit über die Campania zu den Albanerbergen hin. Die Nacht wurde immer heller; die Luft selbst schien von Licht und Flammen ganz durchdrungen zu sein. Der Tiber glich einem Feuerstrome. Die unglückliche Stadt war verwandelt in einen Höllenkessel. Der Brand wuchs an Ausdehnung, bemächtigte sich der Hügel im Sturme, überflutete die Ebene, ließ sich in die Täler nieder, überall Wüten, Zischen und Krachen.

XLV
    Macrinus, ein Weber, in dessen Haus man Vinicius getragen hatte, wusch ihn und gab ihm Kleider und Nahrung. Sobald der junge Krieger sich erholt hatte, erklärte er, noch in dieser Nacht die Suche nach Linus fortsetzen zu wollen. Macrinus, der Christ war, bestätigte Chilons Bericht, daß Linus mit dem Priester Clemens nach dem Ostrianum gegangen sei, wo Petrus eine große Schar Katechumenen taufen wolle. Es war den Christen bekannt, daß Linus die Obhut seines Hauses einem gewissen Gaius anvertraut habe, was für Vinicius ein Beweis war, daß weder Ursus noch Lygia zurückgeblieben, sondern gleichfalls nach dem Ostrianum gegangen waren.
    Dieser Gedanke beruhigte Vinicius. Linus war ein Greis, für den es zu beschwerlich gewesen wäre, täglich nach dem Nomentanischen Tore und wieder zurück nach seinem Hause zu gehen; wahrscheinlich wohnte er während dieser Tage bei irgendeinem Glaubensbruder außerhalb Roms, desgleichen auch Lygia und Ursus. So waren sie dem Brande entgangen, der nicht bis zum jenseitigen Abhang des Esquilins sich auszubreiten vermocht hatte. In all dem sah Vinicius eine Fügung Gottes, dessen Schutz er über sich fühlte. Dankbar schwor er in seinem Herzen, sein ganzes Leben Christus zu weihen.
    Um so mehr aber verlangte ihn, nach dem Ostrianum zu eilen. Er würde dort Lygia finden und Petrus und dann beide auf eines seiner Güter bringen. Mochte Rom brennen; in einigen Tagen mußte alles ein Haufen Asche sein. Warum sollte er in der Nähe einer rasenden Volksmenge bleiben, statt auf seinen Landgütern, von Scharen treuer Diener beschützt, ländliche Ruhe zu genießen und in Frieden, von Petrus gesegnet, unter den Fittichen Christi zu leben? Oh, wenn er Lygia fände!
    Das war freilich nicht leicht. Vinicius gedachte der Hindernisse, die sich ihm auf der Appischen Straße entgegengestellt hatten, des Umweges, den er nach der Via Portuensis hatte nehmen müssen. Er beschloß darum, diesmal in entgegengesetzter Richtung die Stadt zu umgehen. Wenn er die Via Triumphalis benutzte, war es möglich, dem Flusse folgend, zur Ämilianischen Brücke zu gelangen und von da am heutigen Monte Pincio vorbei, über den Campus Marthas hinüber, den Gärten des Pompejus, des Lukullus, des Sallustius entlang zur Via Nomentana durchzudringen. Dies war der kürzeste Weg; doch Macrinus und Chilon rieten ihm davon ab. Das Feuer hatte zwar diesen Stadtteil noch verschont; doch war zu erwarten, daß alle Marktplätze und Straßen dicht mit Menschen und Gütern vollgestopft waren. Chilon riet, durch den Ager Vaticanus zur Porta Flaminia zu gehen, dort den Fluß zu überschreiten und außerhalb der Stadtmauern, jenseits der Gärten des Aoilius, zur Porta Salaria durchzudringen. Nach einigem Zaudern entschloß sich Vinicius dazu.
    Macrinus mußte zur Bewachung seines Hauses zurückbleiben; doch besorgte er zwei Maultiere, die auch Lygia zur Weiterreise dienlich sein konnten. Überdies wollte er einen

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