Quo Vadis
Sklaven mitgeben; doch Vinicius schlug es aus, in der Hoffnung, die erste ihm begegnende Abteilung von Prätorianern würde sich unter seinen Befehl stellen.
Er und Chilon setzten sich in Bewegung, durch den Pagus Janiculensis zur Via Triumphalis. Es gab dort zwar Stockungen; allein sie wanden sich zwischen den Karren mit geringer Schwierigkeit hindurch, weil der größere Teil der Anwohner durch die Via Portuensis dem Meere zu geflohen war. Jenseits des Septimischen Tores ritten sie zwischen dem Flusse und den prachtvollen Gärten des Domitius weiter; die mächtigen Zypressen sahen im Feuerschein rot aus wie unter den Strahlen der Abendsonne. Der Weg wurde mehr und mehr frei, nur dann und wann von herbeieilenden Landleuten verengt. Vinicius trieb sein Tier zur höchsten Leistung an, während Chilon sich hinter dem Tribun hielt und beständig mit sich selber schwatzte.
„Gut, wir haben das Feuer im Rücken, so daß es uns die Schultern wärmt. Noch nie war diese Straße bei Nacht so hell beleuchtet. O Zeus! Wenn du keinen Wolkenbruch auf dieses Feuer niedersendest, so hast du keine Liebe zu Rom. Menschen sind nicht imstande, dieses Feuer zu löschen. Solch eine Stadt, der Griechenland und die ganze Welt dienstbar waren! Und nun kann der erste beste Grieche, der herzukommt, in Roms Asche Bohnen rösten! Wer hätte das geahnt? Nun ist’s zu Ende mit Rom und der Römerherrschaft! Wer immer gern auf den Trümmern umherwandeln und Rom auspfeifen möchte, mag ruhig pfeifen. O Götter, solch eine weltbeherrschende Stadt auszupfeifen! Welcher Grieche, welcher Barbar hätte sich mit seiner Hoffnung so weit verstiegen? Und doch darf man ruhig pfeifen; denn ein Haufen Asche, ob er nun von einem Hirtenfeuer oder einer verbrannten Stadt herrührt, ist und bleibt Asche, die der Wind früher oder später zerstreuen wird.“
Indem er sich auf diese Weise unterhielt, schaute er sich von Zeit zu Zeit nach den Flammen um. Sein Gesicht strahlte von boshafter Freude.
„Rom geht unter“, fuhr er fort. „Nie wird es neu erstehen. Wohin will die Welt nun ihr Getreide, ihre Oliven, ihr Geld senden? Wer kann nun Gold und Tränen von der Erde erpressen? Marmor brennt nicht, aber er zerbröckelt im Feuer. Das Kapitol wird zu Schutt, der Palatin wird zu Schutt. O Zeus! Rom war der Schafhirt, die anderen Nationen waren die Schafe. Wenn der Schafhirt Hunger hatte, schlachtete er ein Schaf, aß das Fleisch, und du, o Vater der Götter, bekamst als Opfergabe das Fell. Wer soll nun, o Wolkensammler, das Schlachten besorgen? In wessen Hände willst du die Peitsche des Schafhirten legen? Denn Rom brennt so gewiß, o Vater, als wenn du es mit deinem Blitze in Brand gesteckt hättest.“
„Vorwärts!“ drängte Vinicius. „Was tust du dort?“
„Ich weine über Rom, Gebieter, über Jupiters Stadt.“
Schweigend ritten sie nebeneinander. Tauben, von denen eine Menge in den Villen und kleineren Städten der Campania gehalten wurden, sowie andere Vögel von der Küste und aus den Bergen hielten augenscheinlich die Helle für Sonnenlicht und flogen scharenweise blindlings ins Feuer. Vinicius brach zuerst das Schweigen.
„Wo warst du beim Ausbruch des Feuers?“
„Eben war ich im Begriff, o Gebieter, zu meinem Freunde Euricius zu gehen, der einen Krämerladen beim Circus Maximus besaß. Ich sann gerade über die Lehre Christi nach, als der Ruf ‚Feuer!‘ erschallte. Die Leute drängten sich um den Zirkus aus Neugier und Angst; doch als die Flammen den Zirkus und andere Häuser ergriffen, dachte jeder nur mehr an seine Rettung.“
„Sahst du jemand Brandfackeln in die Häuser werfen?“
„Was habe ich nicht alles sehen müssen, o Urenkel des Äneas! Ich sah Leute, die sich mit dem Schwerte den Weg bahnten, ich sah Schlachten; menschliche Eingeweide wurden auf dem Pflaster zertreten. Wärest du Zeuge gewesen, du hättest gedacht, Barbaren hätten die Stadt eingenommen und ließen die Bewohner über die Klinge springen. Überall hörte man schreien, das Ende der Welt sei da. Viele verloren völlig den Kopf und blieben wie angewurzelt stehen, bis die Flammen sie umloderten. Etliche wurden wahnsinnig, andere heulten. O Gebieter, es gibt auf Erden so viele schlechte Menschen, die die Wohltat eurer milden Herrschaft nicht würdigen und die gerechten Gesetze nicht lieben, mit deren Hilfe ihr ihnen alles nehmt und es für euch behaltet. Diese Leute werden sich mit dem Willen Gottes nicht aussöhnen!“
Vinicius war zu sehr in Gedanken, um
Weitere Kostenlose Bücher