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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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täglich weitergetragen. Manche fielen in Erstarrung oder Wahnsinn. Es gab Leute, die meinten, in den Feuerwolken Götter zu erblicken, die auf die Trümmer der Stadt herniedersahen, und Arme streckten sich ihnen entgegen, sie um Erbarmen anzuflehen oder ihnen fluchend zu drohen.
    Gleichzeitig fuhren die Soldaten, unterstützt von einer beträchtlichen Anzahl Bewohner, fort, Häuser auf dem Esquilin, dem Mons Caelius und jenseits des Tibers niederzureißen; damit wurden bedeutende Teile dieser Viertel gerettet. In der Stadt selbst aber waren unermeßliche, aus den Jahrhunderten der Eroberungen aufgehäufte Schätze zugrunde gegangen; unbezahlbare Kunstwerke, herrliche Tempel, die kostbarsten Denkmäler vom früheren Rom, dem Rom des Ruhmes. Es war vorauszusehen, daß nur die Häuser an den Rändern der Stadt erhalten bleiben würden und die Bevölkerung massenhaft obdachlos sein werde. Einige verbreiteten das Gerücht, die Soldaten rissen die Häuser nieder, nicht um dem Feuer Einhalt zu tun, sondern um auch nicht einen Bruchteil der Stadt stehenzulassen. Tigellinus sandte Eilboten um Eilboten nach Antium und flehte den Cäsar in jedem Briefe an, doch zu kommen und die verzweifelnde Bevölkerung durch seine Gegenwart zu beruhigen. Aber Nero rührte sich erst, als das Feuer die Domus Transitoria ergriff, und beeilte sich nur, um den Augenblick nicht zu versäumen, wo die Feuersbrunst ihren Höhepunkt erreicht haben würde.

XLVII
    Das Feuer war bis zur Via Nomentana gekommen, aber der Wind schlug jetzt um und änderte damit auch die Richtung des Feuers; es wandte sich der Via Lata und dem Tiber zu, umgab das Kapitol, verbreitete sich längs des Forum Boarium, vernichtete, was es bisher geschont, und näherte sich ein zweites Mal dem Palatin. Tigellinus sammelte die Prätorianer, ließ wiederholt Eilboten an den Cäsar abgehen mit der Anzeige, daß er nichts von der Großartigkeit des Schauspiels verliere, weil das Feuer noch zunehme.
    Nero aber, der schon unterwegs war, wollte zur Nachtzeit eintreffen, um den Anblick der untergehenden Hauptstadt voll zu genießen. Er machte deshalb bei Aqua Albana halt, rief den Tragiker Aliturus in sein Zelt, entschied sich nach dessen Rat über Haltung, Blick und Miene, studierte passende Bewegungen ein und stritt dazu hartnäckig mit dem Schauspieler, ob er bei den Worten: „O heilige Stadt, die du fester zu sein schienst als der Ida“ beide Hände erheben oder die eine, womit er die Phorminx halten wollte, senken und nur die andere heben solle. Die Frage schien ihm wichtiger als alles sonst. Mit Beginn der Nacht brach er endlich auf und holte den Rat des Petronius ein, ob er den die Katastrophe beschreibenden Versen nicht einige glühende Verwünschungen gegen die Götter anfügen solle, ob solche, vom Standpunkte der Kunst aus betrachtet, nicht unwillkürlich dem Munde eines Mannes entschlüpfen müßten, der seine Geburtsstätte verlöre.
    Um Mitternacht näherte er sich den Mauern mit seinem zahlreichen Hofe: mit ganzen Scharen von Adligen, Senatoren, Rittern, Freigelassenen, Sklaven, Frauen und Kindern. Sechzehntausend Prätorianer, die in Schlachtlinie an der Landstraße aufgestellt waren, wachten über die Ruhe und Sicherheit seines Einzuges und hielten die Menge in geziemender Entfernung. Das Volk fluchte, schrie und zischte beim Anblick des Gefolges, wagte aber nicht, es anzugreifen. Gruppen der ärmsten Bevölkerung ergingen sich an mehreren Punkten in Beifallsbezeigungen, sie besaßen nichts, hatten daher auch nichts zu verlieren, erhofften aber dadurch eine viel reichlichere Verteilung von Weizen, Oliven, Kleidern und Geld. Zuletzt verhallten Geschrei, Gezisch und Applaus im Schmettern der Hörner und Trompeten, die Tigellinus blasen ließ.
    Bei dem Tore von Ostia hielt Nero an und sagte:
    „Ein obdachloser Herrscher eines obdachlosen Volkes, wohin soll ich während der Nacht mein unglückliches Haupt legen?“
    Nachdem er am Clivus Delphini vorbeigekommen war, stieg er den Appischen Aquädukt mit eigens einstudierten Schritten empor. Es folgten die Augustianer und ein Sängerchor mit Zithern, Lauten und anderen Musikinstrumenten.
    Und sie alle hielten den Atem an in der Erwartung, der Cäsar werde einige große Worte sprechen, die sie um ihrer Sicherheit willen sich zu merken hätten. Er aber stand feierlich schweigend im Purpurmantel, einen Kranz von goldenem Lorbeer auf dem Haupte, und betrachtete die wütende Gewalt des Feuers. Nachdem Terpnos ihm eine goldene

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