Quo Vadis
Verteilung von Weizen, Wein und Oliven, daß ihr euch alle satt essen werdet. Der Cäsar läßt euch Spiele bereiten, wie die Welt sie noch nicht gesehen hat, dabei werden euch Speisen und Gaben verteilt. Ihr werdet nach dem Brande reicher sein, als ihr vorher waret.“
Ein Gemurmel antwortete und verbreitete sich vom Zentrum aus nach allen Richtungen, ähnlich den Wellenkreisen, wenn ein Stein ins Wasser geworfen wird. Die nahe Stehenden wiederholten das Gesagte den Entfernteren. Ausrufe von Zorn oder Beifall wurden laut, die sich zuletzt im allgemeinen Rufe vereinigten:
„Panem et circenses! – Brot und Spiele!“
Petronius hüllte sich in seine Toga und hörte bewegungslos zu; er glich in seiner weißen Kleidung einer Marmorstatue. Das Geschrei wuchs, übertönte das Zischen des Feuers und wurde von allen Seiten und aus immer größeren Entfernungen beantwortet. Der Abgesandte des Cäsars hatte aber offenbar noch etwas zu sagen, denn er wartete. Endlich gebot er aufs neue Schweigen und rief:
„Ich versprach euch panem et circenses, und jetzt laßt dem Cäsar zu Ehren, der euch nährt und kleidet, einen Freudenruf erschallen, und dann legt euch schlafen, Bürger, denn es wird bald tagen.“
Danach wendete er sein Pferd, und mit seinem Stöckchen jene leicht berührend, die ihm im Wege standen, ritt er langsam durch die Reihen der Prätorianer. Bald war er unter dem Aquädukt.
Oben fand er fast panischen Schrecken; man hatte den Ruf „panem et circenses“ nicht verstanden und einen neuen Wutausbruch vermutet. Nero und sein Gefolge hatten ihn nicht einmal zurückerwartet, sie glaubten nicht, daß er sich retten würde; als daher der Cäsar seiner ansichtig wurde, eilte er die Stufen hinab ihm entgegen und forschte mit einem vor Bewegung blassen Gesichte:
„Nun, was werden sie tun? Gibt es eine Schlacht?“
Petronius zog erst Luft ein, atmete tief und sprach:
„Bei Pollux! Wie sie schwitzen! Und welch ein Geruch! Will mir jemand etwas Epilimma geben? Ich bin der Ohnmacht nahe.“
Dann wandte er sich an Nero.
„Ich versprach ihnen“, sagte er, „Weizen, Oliven, die Öffnung der Gärten und Spiele. Sie beten dich aufs neue an und heulen zu deiner Ehre. Götter, welchen Geruch doch diese Plebejer haben!“
„Ich hielt Prätorianer bereit“, rief Tigellinus, „und hätte Petronius sie nicht beruhigt, würden ihre Ausrufe für immer zum Schweigen gebracht worden sein. Es ist schade, Cäsar, daß du mich nicht Gewalt anwenden ließest!“
Petronius sah ihn an, zuckte die Achseln und sprach:
„Dein Waffenglück ist noch nicht verloren. Du kannst es morgen erproben.“
„Nein, nein“, rief der Cäsar, „ich werde befehlen, ihnen die Gärten zu öffnen und Weizen auszuteilen. Dank dir, Petronius! Ich will Spiele geben, und den Gesang von heute werde ich öffentlich singen.“
Darauf legte er die Hände auf Petronius’ Schultern und fragte in plötzlicher Wendung:
„Sage mir aufrichtig, wie kam ich dir während des Gesanges vor?“
„Du warst des sich bietenden Schauspiels würdig, und das Schauspiel war deiner würdig“, sagte Petronius.
„Wir wollen es noch einmal betrachten“, erwiderte Nero, sich zum Feuer wendend, „und dem alten Rom Lebewohl sagen.“
XLVIII
Die Worte des Apostels hatten den Christen Zuversicht eingeflößt. Sie hielten zwar das Weltende für nahe, dachten jedoch, es stehe nicht unmittelbar bevor, sondern sie würden vorher das Ende von Neros Herrschaft, die in ihren Augen die Herrschaft des Satans war, und Gottes Strafgericht über Neros himmelschreiende Verbrechen erleben. Voll neuer Hoffnung gingen sie auseinander und suchten ihre Unterkunftsorte auf, sofern sie Obdach gefunden hatten. Einige gingen sogar in die Viertel jenseits des Tibers, denn es hieß, infolge der Umdrehung des Windes sei das Feuer gegen den Fluß hin zurückgewichen.
Auch der Apostel verließ die Höhle und mit ihm Vinicius und Chilon. Der junge Krieger getraute sich nicht, Petrus im Gebet zu stören. Schweigend folgte er, nur mit den Augen um Erbarmen flehend und zitternd vor Sorge. Viele näherten sich, um die Füße des Apostels und den Saum seines Mantels zu küssen, Mütter hielten ihm ihre Kinder hin; einige knieten im dunklen Gange, hoben die Kerzen empor und baten um seinen Segen, andere gingen zur Seite und sangen, so daß Vinicius keine Gelegenheit zu einer Frage fand. Erst als sie in breitere Gassen gelangten, von wo aus der Brand sichtbar war, segnete Petrus die Umstehenden
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