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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Laute gereicht hatte, erhob er seine Augen zum geröteten Himmel, als ob er von dorther eine Inspiration erwarte.
    Das Volk wies von weitem auf ihn, der hier im blutigen Glanze stand. In einiger Entfernung zischte und züngelte das Feuer. Die ältesten und heiligsten Gebäude Roms gingen eben in Flammen auf; es brannte der von Evander erbaute Herculestempel, der Tempel des Jupiter Stator, der von Servius Tullius errichtete Tempel der Luna, das Haus des Numa Pompilius, das Heiligtum der Vesta mit den Penaten des römischen Volkes; mitten im Feuermeer sah man zuweilen das Kapitol; das alte und das charakteristische Rom brannte. Er aber, der Cäsar, stand da mit einer Laute in der Hand, theatralischen Ausdruck in den Zügen, nicht im entferntesten mit der untergehenden Stadt beschäftigt, sondern mit seiner Haltung und den sehergleichen Worten, die die Furchtbarkeit der Katastrophe schildern sollten; er dachte daran, wie er die größte Bewunderung erregen und den wärmsten Beifall sich gewinnen könne. Er verachtete Rom und dessen Bewohner, liebte nur seine Gesänge und Verse; deshalb freute sich sein Herz, daß er eine Tragödie sah, ähnlich der, die er schrieb. Der Versemacher war glücklich, der Deklamator fühlte sich begeistert, der Sucher nach Szenen des entfesselten Elements entzückt bei dem schrecklichen Anblick, und in einer Wonne, die an Entrückung grenzte, erging er sich im Gedanken, daß die Zerstörung Trojas eine Kleinigkeit gewesen sei im Vergleich zu der Zerstörung dieser Riesenstadt. Was konnte er nun noch mehr wünschen? Das weltbeherrschende Rom ging seinem Ende entgegen, während er, mit der goldenen Laute auf den Bogen des Aquäduktes stehend, berühmt, im Purpur, bewundert, glänzend, poetisch blieb. Tief unten, irgendwo in der Dunkelheit, murrte und tobte das Volk.
    Mochte es murren! Generationen werden vorüberziehen, Jahrtausende entschwinden, aber noch wird sich die Menschheit des Dichters erinnern und ihn verherrlichen, der in jener Nacht den Fall und Brand Roms besang. Was war Homer, mit ihm verglichen? Was selbst Apollon mit seiner Laute?
    Er erhob jetzt seine Hände, schlug die Saiten und sprach dabei die Worte des Priamos:
    „O Nest meines Vaters, o teure Wiege!“
    Seine Stimme war in freier Luft, im Zischen des Feuers und im entfernten Gemurmel von Tausenden sehr schwach, unsicher und leise, und der Klang des begleitenden Instruments glich dem Summen von Insekten.
    Trotzdem senkten die auf dem Aquädukt versammelten Senatoren, Würdenträger und Augustianer ihre Häupter und lauschten in stillem Entzücken.
    Nero sang lange, der Inhalt wurde immer trauriger. Hielt er inne, um zu atmen, so wiederholte der Chor der Sänger seinen letzten Vers; dann warf er die tragische Syrma, das lang nachschleppende Trauergewand, wie es auf der Bühne getragen wurde, mit einer von Aliturus erlernten Bewegung zurück, schlug die Laute und sang weiter. Als er endlich mit den Versen zu Ende war, improvisierte er und suchte nach großartigen Vergleichen mit dem vor ihm sich zeigenden Schauspiel. Sein Gesicht veränderte sich; indes war es nicht aus Rührung über den Untergang seiner Vaterstadt, sondern er war so sehr entzückt über das Pathos seiner eigenen Worte, daß sich plötzlich seine Augen mit Tränen füllten. Er ließ die Laute geräuschvoll zu Boden gleiten, hüllte sich in die Syrma und stand wie versteinert, gleich einer jener Statuen der Niobe, die die Höfe des Palatin zierten.
    Ein Beifallssturm brach das Schweigen. Als Antwort darauf ertönte aus der Ferne das Geheul der Menge. Niemand zweifelte mehr, daß der Cäsar befohlen habe, die Stadt zu verbrennen, um sich selber ein Schauspiel zu verschaffen und einen Gesang darauf zu dichten. Als Nero das wilde Geschrei hörte, wendete er sich zu den Augustianern mit dem traurig ergebenen Lächeln eines Mannes, der unter ungerechter Beurteilung leidet.
    „Seht“, sagte er, „wie die Quinten die Poesie und mich schätzen!“
    „Die Schufte“, antwortete Vatinius. „Befiehl den Prätorianern, Herr, über sie herzufallen.“
    Nero wandte sich zu Tigellinus: „Kann ich auf die Treue der Soldaten rechnen?“
    „Ja, Gottheit!“ antwortete der Präfekt.
    Aber Petronius zuckte mit den Achseln und sagte:
    „Auf ihre Treue, ja, aber nicht auf ihre Zahl. Bleibe vorerst, wo du bist. Hier ist es am sichersten für dich; zuerst muß das Volk beruhigt werden.“
    Auch Seneca und der Konsul Licinius stimmten diesem Rate bei. Die Erregung unten

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