Quo Vadis
warum sollte er sich eine solche Arbeit aufladen? War es nicht angenehmer, in seiner reichen Bibliothek die Schriftsteller zu lesen, Vasen und Statuen zu beschauen, Eunike an seine Brust zu nehmen, ihr goldenes Haar um seine Finger zu winden, seine Lippen zu ihrem Korallenmund zu neigen? Deshalb sagte er:
„Ich rate zur Reise nach Achaia.“
„Ah!“ antwortete Nero. „Ich erwartete Besseres von dir. Der Senat haßt mich. Wer bürgt mir, daß er sich nicht nach meiner Abreise empört und einen anderen Cäsar proklamiert? Das Volk ist mir bis jetzt treu gewesen, kann aber nun dem Senate folgen. Beim Hades! Wenn dieser Senat und dieses Volk nur einen Kopf hätten!“
„Erlaube mir ein Wort, o Gottheit; wenn du Rom retten willst, so mußt du einige Römer retten“, bemerkte Petronius mit einem Lächeln.
„Was kümmern mich Rom und die Römer?“ fragte Nero. „Man soll mir in Achaia gehorchen. Hier umgibt mich nur Verrat. Alles verläßt mich, und ihr macht euch zum Verrat bereit. Ich weiß es, ich weiß es. Ihr denkt gar nicht daran, was künftige Zeiten von euch sagen werden, wenn ihr einen Künstler wie mich verlaßt!“
Er griff dabei nach seiner Stirn und rief:
„Richtig! In diesen Sorgen vergesse ich selber, wer ich bin!“
Dann wandte er sich leuchtenden Angesichts Petronius zu:
„Petronius“, sagte er, „das Volk murrt; wenn ich aber meine Laute nehme, zum Campus Martius gehe und ihm den Sang singe, den ich bei der Feuersbrunst sang, glaubst du nicht, daß ich es dann dadurch rühren würde wie Orpheus die wilden Tiere?“
Tullius Senecio, der zu seinen ihm von Antium zurückgebrachten Sklavinnen heimzukehren wünschte und längst schon ungeduldig geworden war, antwortete:
„Gewiß, o Cäsar, wenn sie dir anzufangen erlauben.“
„Gehen wir nach Hellas!“ rief der angeekelte Nero.
Jetzt erschien Poppäa und mit ihr Tigellinus. Aller Augen richteten sich unwillkürlich auf ihn; denn nie hatte ein Triumphator die Stufen des Kapitols mit größerem Stolze erstiegen, als er ihn zeigte, da er jetzt vor dem Cäsar stand. Er begann zu sprechen, langsam, aber mit Nachdruck, in einem Tone, aus dem die Bissigkeit herausklang:
„Höre mich, Cäsar. Ich habe gefunden, das Volk fordert Rache. Es bedarf aber nicht eines Opfers, es bedarf Tausender von Opfern. Hast du gehört, Herr, wer Christus war – er, der unter Pontius Pilatus gekreuzigt worden ist, und weißt du, wer die Christen sind? Habe ich dir nicht berichtet von ihren Verbrechen und schändlichen Feierlichkeiten, von ihren Vorhersagungen, daß Rom durch Feuer zugrunde gehe? Das Volk haßt und beargwöhnt sie. Niemand hat sie je in einem Tempel gesehen; denn sie nennen unsere Götter böse Geister. Sie sind nicht im Stadion, denn sie verachten Pferderennen. Nie hat eine Christenhand dir Beifall geklatscht, nie ein Christ dich als Gott anerkannt. Sie sind Feinde des menschlichen Geschlechts, Roms und des Cäsars. Das Volk murrt wider dich; aber du hast mir keinen Befehl gegeben, Rom zu verbrennen, und ich habe es nicht verbrannt. Das Volk fordert Rache; befriedige dieses Bedürfnis! Das Volk verlangt Blut und Spiele, gib sie ihm! Das Volk hegt Argwohn gegen dich, gib dem Argwohn eine andere Richtung!“
Nero hörte zuerst mit Verwunderung zu. Als aber Tigellinus fortfuhr, veränderte sich sein Schauspielergesicht und nahm abwechselnd den Ausdruck des Zornes, der Sorge, der Sympathie und des Unwillens an. Plötzlich erhob er sich, warf die Toga ab, hob, während sie zu seinen Füßen fiel, die Hände empor und verharrte schweigend einige Zeit in dieser Stellung. Endlich sagte er im Tone eines Schauspielers:
„O Zeus, Apollon, Hera, Athene, Persephone und ihr Unsterblichen alle! Warum steigt ihr nicht hernieder, uns zu helfen? Was hat diese unglückliche Stadt denn diesen grausamen Elenden getan, daß sie sie so unmenschlich verbrannten?“
„Diese Christen sind der Menschheit Feinde und die deinen“, sagte Poppäa.
„Übe Gerechtigkeit!“ riefen die anderen. „Bestrafe die Brandstifter! Die Götter selbst rufen um Rache!“
Nero setzte sich, ließ das Haupt auf die Brust sinken und schwieg ein zweites Mal, wie betäubt von der Schlechtigkeit, von der er soeben gehört hatte. Endlich schüttelte er abwehrend die Hände und sagte:
„Welche Strafen, welche Martern entsprechen solch einem Verbrechen? Aber die Götter werden mich erleuchten, und von den Mächten des Tartarus unterstützt, werde ich meinem armen Volke ein Schauspiel
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