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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Falle alle und jeden rettete.
    „Höre mich, Gottheit“, sagte er. „Dieser Rat ist unheilvoll! Ehe du Ostia erreichst, bricht ein Bürgerkrieg aus. Wer weiß, ob nicht ein noch lebender Sprößling aus der Seitenlinie des göttlichen Augustus sich zum Cäsar aufwerfen will, und was könnten wir machen, wenn die Legionen sich auf seine Seite stellten?“
    „Wir werden sorgen“, antwortete Nero, „daß keine Abkömmlinge des Augustus vorhanden sind. Es gibt davon ohnedies nicht viele; somit ist es leicht, uns von ihnen zu befreien.“
    „Gewiß, aber kommen sie allein in Betracht? Erst gestern hörte einer meiner Leute, daß ein Mann wie Thraseas Cäsar werden sollte.“
    Nero biß sich auf die Lippen. Dann erhob er die Augen und sagte:
    „Unersättlich und undankbar! Sie haben Getreide genug und Kohlen in Menge, um Kuchen darauf zu backen; was wollen sie noch mehr?“
    „Rache!“ erwiderte Tigellinus.
    Schweigen folgte diesem Worte. Nero stand plötzlich auf, streckte den Arm aus und deklamierte:
    „Die Herzen verlangen nach Rache, und Rache fordert ein Opfer!“
    Und alles andere vergessend, fuhr er mit strahlendem Ausdruck in seiner Miene fort:
    „Gebt mir die Tafel und den Griffel, um diesen Vers aufzuschreiben. Nie wird Lucanus einen ähnlichen finden. Habt ihr beachtet, daß er mir sofort von den Lippen floß?“
    „Oh, du bist unvergleichlich!“ erklärten mehrere Stimmen.
    Nero schrieb den Vers nieder und sprach:
    „Ja, Rache fordert ein Opfer.“
    Dann überflog sein Blick die Versammelten.
    „Wenn wir die Nachricht verbreiteten, Vatinius habe Befehl gegeben, die Stadt zu verbrennen, und ihn dem Zorne des Volkes auslieferten?“
    „O Gottheit! Wer bin ich?“ rief Vatinius aus.
    „Richtig! Eine wichtigere Person als du muß gefordert werden. Sollte sie Vitellius sein?“
    Dieser erbleichte und begann zu lachen.
    „Mein Fett“, sagte er, „möchte das Feuer aufs neue entzünden.“
    Auch Nero dachte anders; sein Geist suchte nach einem Opfer, das die Volkswut wirklich befriedigen konnte, und er fand es.
    „Tigellinus“, sagte er nach einer Weile, „du warst es, der Rom verbrannte!“
    Ein Schauer durchrieselte die Anwesenden. Sie begriffen, daß der Cäsar nicht mehr scherzte und daß ein entscheidender Augenblick gekommen sei.
    Das Gesicht des Tigellinus erinnerte an einen bissigen Hund.
    „Ich verbrannte Rom auf deinen Befehl!“ sagte er.
    Und die beiden starrten sich an gleich zwei Teufeln.
    Eine so tiefe Stille trat ein, daß man das Summen der Fliegen im Atrium hören konnte.
    „Tigellinus“, fragte Nero, „liebst du mich?“
    „Du weißt es, Herr!“
    „So opfere dich für mich.“
    „O göttlicher Cäsar“, antwortete Tigellinus, „warum reichst du mir den süßen Becher, obwohl ich ihn nicht zum Munde führen kann? Das Volk murrt und erhebt sich; willst du denn, daß sich die Prätorianer mit ihm empören?“
    Ein Gefühl des Schreckens bemächtigte sich der Anwesenden. Tigellinus war ja Präfekt der Prätorianer, und seine Worte bedeuteten eine direkte Drohung. Nero verstand sie und erblaßte.
    Epaphroditus, des Cäsars Freigelassener, trat jetzt ein und meldete, daß die göttliche Augusta nach Tigellinus verlange; es seien Leute in ihren Gemächern, die ihn zu sprechen wünschten. Tigellinus verbeugte sich vor dem Cäsar und ging mit ruhiger, verächtlicher Miene hinweg. Jetzt, da ein Schlag gegen ihn geführt werden sollte, hatte er die Zähne gewiesen; er hatte den Versammelten zu verstehen gegeben, wer er sei, und bei der ihm bekannten Feigheit Neros war er überzeugt, daß der Herrscher der Welt es nicht mehr wagen würde, seine Hand gegen ihn zu erheben. Nero saß zunächst schweigend da; als er jedoch gewahrte, daß die Anwesenden ein Wort von ihm erwarteten, sagte er:
    „Ich habe eine Schlange an meiner Brust genährt.“
    Petronius machte eine Schulterbewegung, die deutlich ausdrückte, daß es nicht schwierig sei, einer solchen Schlange den Kopf abzuschlagen.
    „Was willst du sagen? Sprich, gib Rat“, rief Nero, der es bemerkt hatte. „Ich vertraue nur dir, denn du hast mehr Verstand als alle andern und liebst mich.“
    Petronius hatte schon die Worte auf der Zunge: „Ernenne mich zum Präfekten der Prätorianer, so werde ich dem Volke Tigellinus ausliefern und die Stadt in einem Tag zur Ruhe bringen.“ Aber die ihm eigene Trägheit siegte. Präfekt sein hieß, den Cäsar und eine Menge öffentlicher Angelegenheiten auf die Schultern zu nehmen. Und

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