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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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bieten, daß es noch nach Jahrhunderten dankbar meiner gedenkt.“
    Petronius’ Stirn hatte sich umwölkt. Er dachte an die Gefahr, die sich über Lygia zusammenzog und über Vinicius, den er liebte, und über die Christen, deren Religion er zwar geringschätzte, von deren Unschuld er aber überzeugt war. Ferner stellte er sich vor, daß eine jener blutigen Orgien beginnen werde, die seine Augen als die eines Ästheten beleidigten. Diese Gedanken jedoch traten vor dem einen zurück: „Ich muß Vinicius retten, der wahnsinnig wird, wenn dieses Mädchen zugrunde geht!“ Und diese Erwägung überwog jede andere; denn Petronius war sich außerdem bewußt, daß er ein gefährlicheres Spiel als je in seinem Leben wagte. Er begann jedoch frei und sorglos zu sprechen, ganz so, wie er zu tun pflegte, wenn er Pläne des Cäsars und seiner Umgebung als zu unästhetisch einer Kritik unterzog:
    „Ihr habt Opfer gefunden, ja! Ihr mögt sie in die Arena schicken oder in die ‚peinliche Tunika‘ stecken oder beides. Aber höret mich! Ihr habt Autorität, Prätorianer und Macht; darum seid wenigstens aufrichtig, wo es niemand hört. Täuschet das Volk, aber täuschet nicht euch selber! Überliefert die Christen dem Pöbel, verurteilt sie zu jeder beliebigen Qual, habt aber den Mut, euch selber zu sagen, daß nicht sie es waren, die Rom verbrannten. Pfui! Ihr nennt mich Arbiter elegantiarum, darum erkläre ich euch, daß ich erbärmliche Komödien nicht ausstehen kann. Pfui! Wie mich all das an jene Theaterbuden bei der Porta Asinaria erinnert, in denen Schauspieler Götter und Könige darstellen, um den Pöbel der Subura zu unterhalten, und nach beendigter Vorstellung die Salben mit saurem Weine abwaschen oder Stockschläge bekommen. Seid in Wahrheit Götter und Könige; ich bin überzeugt, ihr seid dessen fähig. Was dich betrifft, o Cäsar, so hast du uns mit dem Urteil künftiger Jahrhunderte gedroht: Bedenke aber, daß auch über dich die künftigen Jahrhunderte urteilen werden. Bei der göttlichen Clio! Nero, der Herrscher der Welt, Nero, ein Gott, verbrannte Rom, weil er so mächtig war auf Erden wie Zeus im Olymp – Nero, der Dichter, liebte die Dichtkunst so sehr, daß er ihr sein Land opferte; seit dem Anfang der Welt tat niemand ähnliches, wagte niemand ähnliches zu tun. Ich bitte dich im Namen der neun gekrönten Libethryden, entsage diesem Ruhme nicht; denn du wirst bis zum Ende der Zeiten besungen werden! Was wird Priamus sein im Vergleich mit dir, was Agamemnon, was Achilleus, was werden selbst die Götter sein? Es ist nicht nötig, daß wir behaupten, der Brand Roms sei etwas Gutes gewesen, aber er war kolossal und außerordentlich. Auch erkläre ich, daß das Volk keine Hand gegen dich erheben wird. Jede gegenteilige Behauptung ist unwahr. Habe Mut; hüte dich vor Handlungen, die deiner unwürdig sind – denn nur eines droht dir, daß kommende Jahrhunderte erzählen könnten: ‚Nero verbrannte Rom; aber feige als Cäsar und furchtsam als Poet, leugnete er die große Tat und wälzte die Schuld auf Unschuldige!‘ “
    Des Arbiters Worte machten wie gewöhnlich tiefen Eindruck auf Nero. Petronius gab sich dabei keiner Täuschung hin, er wußte eines: Was er gesagt, war ein verzweifeltes Mittel, das wohl bei glücklichem Erfolge die Christen zu retten vermochte, ihn aber um so leichter vernichtete. Er hatte indes nicht gezögert, danach zu greifen, weil es sich um Vinicius handelte, den er liebte, wie er das Spiel liebte, das seinen Geist unterhielt.
    „Die Würfel sind gefallen“, sagte er sich, „wir werden sehen, um wie vieles in dem Affen die Furcht fürs eigene Leben die Liebe zum Ruhme überwiegt.“
    Innerlich zweifelte er jedoch nicht im geringsten, daß sich die Waagschale auf die Seite der Furcht neigen würde.
    Seinen Worten folgte Schweigen. Poppäa und alle übrigen sahen auf Neros Augen wie auf einen Regenbogen. Er warf die Lippen auf und zog sie nach der Nase, wie es seine Gewohnheit war, wenn er nicht wußte, was er tun sollte; endlich zeigten seine Züge den Ausdruck des Widerwillens und der Unruhe.
    „Herr!“ rief Tigellinus bei dieser Wahrnehmung, „erlaube mir zu gehen. Wenn das Volk dich einen feigen Cäsar, einen furchtsamen Poeten, einen Brandstifter und einen Komödianten hieße und dabei dich dem Tode zu überliefern verlangte, so könnten meine Ohren solches nicht hören.“
    „Ich habe verloren“, dachte Petronius. Indem er sich gegen Tigellinus wandte, maß er ihn mit einem

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