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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Auserwählten Gottes vor Gott anzuklagen? Wer mag von diesem Blute behaupten, es sei verflucht?“
    „Ich habe das Böse gehaßt“, erwiderte Crispus.
    „Christi Gebot, die Menschen zu lieben, ist höher als jenes, das Böse zu hassen; denn seine Lehre ist nicht Haß, sondern Liebe.“
    „Ich habe in der Todesstunde gesündigt!“ antwortete der greise Priester, sich an die Brust schlagend.
    Ein Aufseher näherte sich dem Apostel und fragte:
    „Wer bist du, daß du mit den Verurteilten sprichst?“
    „Ein römischer Bürger“, gab Paulus ruhig zur Antwort und kehrte sich wieder Crispus zu:
    „Vertraue, denn heute ist der Tag der Gnade. Stirb in Frieden, Diener Gottes!“
    Zwei Sklaven traten nun zu Crispus, um ihr Werk an ihm zu vollbringen. Noch einmal blickte er in die Runde umher und rief:
    „Brüder, betet für mich!“
    Sein Antlitz verlor die frühere Härte; ein Ausdruck vollkommenen Friedens trat an deren Stelle. Er legte seine Arme auf die Balken, um den Sklaven die Arbeit zu erleichtern, blickte himmelwärts und betete. Er schien unempfindlich zu sein, denn er zuckte nicht im geringsten, als die Nägel seine Hände und Füße durchbohrten; keine Spur von Schmerz lag in seinen Zügen. Er betete weiter, indes man sein Kreuz aufstellte und die Erde darunter feststampfte. Erst als das Amphitheater mit dem Lärm der zurückkehrenden Menge sich füllte, runzelte er die Stirn, wie erzürnt darüber, daß ein heidnisches Volk den Frieden des Todes störe.
    Alle Kreuze waren inzwischen aufgestellt worden, die Arena schien ein Wald zu sein, an dessen Bäumen die Menschen hingen. Die Sonne schien auf die Armbalken und die Häupter der Märtyrer, der Boden selbst war in tiefen Schatten gehüllt, in den hier und dort ein Lichtstrahl wie durch ein Gitter drang. Das Vergnügen der Zuschauer sollte im Anblick eines langsamen Sterbens bestehen. Nie zuvor hatte man Kreuze in solcher Anzahl beieinander gesehen. Die Sklaven drängten sich mühsam zwischen den Balken hindurch. An den Kreuzen der äußersten Reihe hingen hauptsächlich Frauen, Crispus aber hatte man, als einen Priester der Christen, Neros Podium gegenüber postiert. Sein Kreuz war größer als die anderen und am Fuße mit Geißblatt umwunden. Noch hatte keiner der Gemarterten den Geist aufgegeben, doch waren mehrere der zuerst Gekreuzigten bewußtlos. Keiner stöhnte, und keiner flehte um Gnade. Die einen ließen ihr Haupt auf einem Arm ruhen oder auf die Brust niederfallen und schienen zu schlafen; bei anderen schien es, als ob sie über etwas nachdächten; wieder andere blickten himmelwärts und beteten offenbar. Es war, als schwebe eine Ahnung künftigen Unheils über diesem Kreuzeswald, diesen angenagelten Leibern, diesen lautlos leidenden Opfern. Der Lärm, der beim Wiedereintreten der gesättigten und vergnügten Menschenmenge die Arena erfüllt hatte, war tiefer Stille gewichen; niemand wußte, was von diesem Schauspiel zu halten sei, auf welchem Kreuze der Blick ruhen solle. Die Nacktheit ausgespannter weiblicher Körper übte keine Wirkung mehr auf die Zuschauer aus. Niemand wettete, daß dieses oder jenes Opfer zuerst sterben würde, obwohl sonst beim geringsten Anlaß leidenschaftlich gewettet wurde. Der Cäsar schien gelangweilt, schläfrig wandte er sich ab und zog seine Halskette zurecht.
    Crispus, der mit geschlossenen Augen wie bewußtlos oder sterbend am Kreuze hing, schlug nun die Lider auf und schaute auf Nero. Sein Antlitz nahm wieder einen so unbarmherzigen Ausdruck an, und seine Augen flammten in solchem Zorne, daß die Augustianer mit Fingern auf ihn zeigten und Nero verdrossen den Smaragd vor die Augen hielt, um diesen Mann zu betrachten.
    Lautlose Stille trat ein. Alle Blicke waren auf Crispus gerichtet, der seinen rechten Arm zu bewegen versuchte, als wollte er ihn vom Balken wegreißen. Nach einer Weile hob sich seine Brust, so daß die Rippen deutlich sichtbar wurden, und mit furchtbarer Stimme schrie er:
    „Muttermörder! Wehe dir!“
    Die Augustianer wagten kaum noch zu atmen, als sie diese tödliche Beschimpfung des Herrn der Erde in Gegenwart so vieler Tausender hörten. Chilon war halbtot. Der Cäsar erbebte und ließ den Smaragd sinken. Das Volk horchte atemlos. Und wieder donnerte jene Stimme durch das Riesengebäude:
    „Wehe dir, Gattenmörder, Brudermörder! Wehe dir, Antichrist! Der Abgrund öffnet sich für dich und faßt dich an; das Grab ist schon für dich gegraben. Wehe dir, lebender Leichnam! In Entsetzen

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