Quo Vadis
das Gerücht, der Zorn der Götter liege der allzu nachlässigen Bestrafung der Christen wegen auf der Stadt; und das Volk forderte die Fortsetzung der Spiele ohne Rücksicht auf das Wetter. Ganz Rom war freudetrunken, als verkündet wurde, der Ludus solle in drei Tagen fortgesetzt werden.
Nun lachte wieder heiterer Himmel über der Stadt. Bei Tagesanbruch füllte sich das Amphitheater mit Legionen Schaulustiger. Der Cäsar traf pünktlich mit den Vestalinnen und dem Hofe ein. Das Schauspiel sollte mit einem Kampfe zwischen den Christen beginnen, die zu diesem Zwecke als Gladiatoren gekleidet und mit jeder Art Waffen versehen waren. Doch gleich der Anfang brachte eine Enttäuschung. Die Christen warfen die Netze, Spieße, Dreizacke und Schwerter in den Sand, umarmten und ermutigten einander zur Ausdauer in Qualen und Tod. Entrüstung, Erbitterung erfaßten die Zuschauer. Einige erklärten die Christen für elende Feiglinge, andere behaupteten, sie benähmen sich so aus Haß gegen das Volk, um ihm den Genuß, den es sonst beim Anblick eines Kampfes hatte, zu verleiden. Schließlich ließ der Cäsar wirkliche Gladiatoren auftreten, die in kurzer Zeit die knienden, wehrlosen Opfer abschlachteten.
Als ihre Leichen entfernt waren, folgte eine Reihe lebender Bilder aus der Mythologie, des Cäsars eigene Erfindung. Man sah Hercules auf dem Ötaberge in Flammen verschwinden. Vinicius zitterte beim Gedanken, Ursus möchte als Hercules ausersehen sein. Allein es schien an Lygias treuen Diener die Reihe noch nicht gekommen zu sein; am Pfahle brannte ein anderer Christ, dessen Gesicht Vinicius gänzlich unbekannt war. Das nächste Bild brachte Bekannte Chilons, den Nero nicht von der Anwesenheit entbunden hatte. Der Tod des Dädalus und des Ikarus wurde dargestellt. Als Dädalus mußte Euricius auftreten, jener Alte, der Chilon die Bedeutung des Fischzeichens verraten hatte. Sein Sohn Quartus war da in der Rolle des Ikarus. Mittels kunstreicher Maschinen wurden beide in die Höhe geschleudert und stürzten dann zerschmettert auf den Boden. Quartus fiel so nahe bei des Cäsars Loge herab, daß sein Blut die Verzierungen der Loge und den Purpurteppich, der auf der Brüstung lag, bespritzte. Chilon sah den Sturz nicht, da er die Augen geschlossen hatte; doch er hörte den dumpfen Aufprall und sah, sobald er die Augen zu öffnen wagte, Blutflecken um sich herum. Er war einer zweiten Ohnmacht nahe.
Die Bilder wechselten schnell. Das Hinschlachten von Mädchen und Frauen, die vorher durch Gladiatoren in der Verkleidung als wilde Tiere geschändet waren, entzückte die Menge. Priesterinnen der Kybele und der Ceres, die Danaiden, Dirke und Pasiphae wurden dargestellt. Zum Schluß sah man, wie junge, noch unreife Mädchen von wilden Pferden in Stücke gerissen wurden. Jeden Augenblick spendeten die Zuschauer einem neuen Einfall Neros rasenden Beifall; stolz auf diese Genugtuung, entfernte der Cäsar keinen Augenblick den Smaragd von seinen Augen, sondern weidete sich an weißen, in Stücke gerissenen Leibern und konvulsivisch zuckenden Opfern.
Darauf wurden Bilder aus der Geschichte Roms vorgeführt. Den Jungfrauen folgte ein Mucius Scaevola, dessen Hand, über einem Feuer an einen Dreifuß gebunden, den Zirkus mit dem Geruch verbrannten Fleisches erfüllte. Gleich dem echten Scaevola ließ auch er keinen Laut hören, sondern blickte himmelwärts, indem seine Lippen im Gebete sich bewegten.
Kaum hatte er den Geist aufgegeben und war ins Spoliarium geschleppt worden, als das Zeichen zur Mittagspause ertönte. Nero verließ mit den Vestalinnen und den Augustianern das Amphitheater und zog sich in ein scharlachrotes, für ihn errichtetes Riesenzelt zurück, wo ein prunkvolles Mahl seiner und der Gäste harrte. Der größte Teil der Zuschauer folgte diesem Beispiel, strömte hinaus, lagerte sich in malerischen Gruppen rings um das Zelt, um die vom langen Sitzen müde gewordenen Glieder auszustrecken und die Speisen zu genießen, die Neros Sklaven unter sie verteilten. Die Neugierigsten in der Menge zogen es vor, in die Arena hinabzusteigen, blutige Sandklumpen zu berühren und als Liebhaber und Kenner ihre Meinungen auszutauschen über das Geschehene und das, was noch folgen sollte. Bald schlossen auch sie, um nicht zu kurz zu kommen, sich den anderen an. Nur einige wenige blieben zurück, die nicht der Schaulust wegen, sondern aus Mitleid für die Opfer hierhergekommen waren; diese verbargen sich hinter den Sitzen oder auf abseits
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