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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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gelegenen Plätzen.
    Während der Pause wurde die Arena geebnet. Sklaven gruben mit kurzen Zwischenräumen voneinander und in mehreren Reihen Löcher in den Sand in nächster Nähe der Sitze. Die letzte Reihe lag dicht vor des Cäsars Podium. Draußen lärmte die Menge und jauchzte Nero zu; drinnen traf man Vorbereitungen zu neuen Martern. Gleichzeitig öffneten sich die Cunicula, und haufenweise wurden die Christen, nackt, Kreuze auf den Schultern tragend, in die Arena getrieben. Greise, fast erliegend unter der Last der Holzbalken, stürzten hin; neben diesen gingen Männer in der Vollkraft ihrer Jahre, Frauen mit losgebundenen Haaren, mit denen sie ihre Nacktheit zu verdecken suchten, halbwüchsige Knaben und kleine Kinder. Sowohl die Kreuze als die Opfer waren mit Blumen bekränzt. Mit Stockschlägen wurde jeder der Unglücklichen gezwungen, das Kreuz neben dem dafür bestimmten Loch abzulegen und sich in der Reihe aufzustellen. Die Kreuzigung war die Todesart für diejenigen, die nicht schon am ersten Spieltage den wilden Tieren zum Fraße vorgeworfen worden waren. Schwarze Sklaven faßten die Opfer, rissen sie rücklings auf die Balken nieder und nagelten ihnen eilig Hände und Füße fest, damit die Menge nach der Zwischenpause alle Kreuze stehend vorfinden sollte. Der Zirkus widerhallte von Hammerschlägen, deren Echo über die Mauern hinüber bis in das Zelt drang, wo Nero seine Gäste bewirtete. Dort trank der Cäsar Wein, hänselte Chilon und flüsterte unheilige Worte in die Ohren der Vestalinnen. Und in der Arena drangen die Nägel durch Füße und Hände, Schaufeln begannen ihr Werk und füllten die Löcher, in denen die Kreuze steckten.
    Unter den Opfern dieses Tages befand sich auch Crispus. Die Löwen hatten ihn nicht mehr zerreißen können, darum bestimmte man ihn für den Kreuzestod. Jederzeit zum Sterben bereit, freute er sich der Nähe seiner Todesstunde. Er war kaum zu erkennen, denn sein abgezehrter Leib war völlig nackt; bloß ein Efeugürtel umschlang seine Hüften, auf dem Haupte lag ein Kranz von Rosen. Doch aus dem Auge blickte noch das gleiche Feuer wie früher; dasselbe fanatisch strenge Antlitz schaute unter den Rosen hervor. Auch sein Geist war derselbe geblieben. Wie er damals im Cuniculum seinen Brüdern mit dem göttlichen Zorne gedroht hatte, so hatte er auch jetzt keine tröstenden Worte für sie.
    „Dankt dem Erlöser“, rief er seinen Todesgefährten zu, „daß ihr desselben Todes zu sterben gewürdigt werdet, den er starb. Vielleicht wird euch aus diesem Grunde ein Teil eurer Sünden vergeben. Doch zittert! Denn die Gerechtigkeit will ihren Lauf haben. Nicht derselbe Lohn kann dem Gerechten und dem Bösen werden.“
    Hammerschläge begleiteten seine Worte. Mehr und mehr Kreuze erhoben sich aus dem Sande; er wandte sich noch weiter den neben ihren Kreuzen stehenden Christen zu und fuhr fort:
    „Ich sehe den Himmel offen, aber ich sehe auch den gähnenden Schlund. Ich zittere vor der Rechenschaft, obwohl ich geglaubt und das Böse gehaßt habe. Nicht vor dem Tode, sondern vor der Auferstehung bangt mir; ich fürchte nicht die Marter, sondern das Gericht, denn der Tag des Zornes ist nahe.“
    In diesem Augenblick erklang von den nächsten Sitzreihen feierlich-ernst eine Stimme:
    „Nicht der Tag des Zornes, sondern des Erbarmens, der Tag der Erlösung und Seligkeit ist da; denn ich sage euch, Christus wird euch aufnehmen, euch trösten und zu seiner Rechten setzen. Vertrauet darauf, der Himmel öffnet sich für euch.“
    Aller Augen wandten sich den Sitzen zu; sogar die bereits an ihr Kreuz Geschlagenen wandten ihr qualverzerrtes Antlitz nach dem Manne, von dem jene Worte kamen. Er trat an die Brüstung und segnete die Blutzeugen mit dem Zeichen des Kreuzes. Crispus streckte seine Hand gegen ihn aus, um ihn zurechtzuweisen; doch kaum fiel sein Blick auf dessen Züge, als er den Arm fallen ließ und unwillkürlich ausrief:
    „Paulus, der Apostel!“
    Staunend sahen die Sklaven in der Arena alle Christen, die noch nicht angenagelt waren, auf die Knie fallen. Paulus wandte sich an Crispus:
    „Drohe ihnen nicht, Crispus; denn heute noch werden sie mit dir im Paradiese sein. Du meinst, sie könnten verdammt werden. Doch wer will sie verdammen? Gott, der seinen Sohn für sie hingab? Wird Christus, der um ihrer Erlösung willen in den Tod ging, sie verdammen, nachdem sie um seines Namens willen den Tod erlitten? Wie kann der Gott der Liebe sie verdammen? Wer getraute sich, die

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