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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Sorgfalt bewachte.
    „Offenbar“, sagte er zu sich selber, „haben der Cäsar und Tigellinus sie für ein besonderes, alles frühere in den Schatten stellendes Schauspiel ausersehen. Vinicius geht eher selber zugrunde, als daß er sie davor rettet.“
    Vinicius gab in der Tat jede Hoffnung auf, Lygia zu befreien. Christus allein konnte sie retten. Sein ganzes Bestreben ging nur darauf aus, seine Braut im Kerker besuchen zu können.
    Der Gedanke, daß Nazarius sich als Leichenträger den Eingang in den Mamertinischen Kerker erschlichen hatte, ließ ihm keine Ruhe, und er beschloß, den gleichen Weg einzuschlagen.
    Den Aufseher der Leichengruben hatte er bereits durch eine enorme Summe bestochen, und dieser nahm ihn unter die Zahl seiner Gehilfen auf, die allnächtlich in die Gefängnisse um Leichen geschickt wurden. Die Gefahr, Vinicius könnte dabei erkannt werden, war nicht besonders groß. Davor schützte ihn die Nacht, der Sklavenanzug und die mangelhafte Beleuchtung des Kerkers. Wem konnte es einfallen, daß ein Patrizier, ein Enkel und Sohn von Konsuln, unter die Leichenträger ging und sich den Ausdünstungen der Kerker und Kloaken aussetzte! Und so unterzog er sich einer Arbeit, wozu sonst nur Knechtschaft oder herbste Not einen Mann zwingen konnte.
    Sobald der ersehnte Abend da war, verkleidete sich Vinicius, hüllte das Haupt in ein mit Terpentin durchtränktes Tuch und begab sich klopfenden Herzens mit den übrigen Leichenträgern nach dem Esquilin.
    Die Prätorianer machten keine Schwierigkeiten; denn alle konnten die Tesserae vorzeigen, die der Zenturio beim Schein einer Laterne auf ihre Echtheit prüfte. Die schwere eiserne Pforte tat sich auf, und die Leichenträger traten ein.
    Vinicius gelangte in einen geräumigen, gewölbten Keller, von wo sie in andere, gleiche Gewölbe weitergingen. Trüber Lichtschein beleuchtete die enggefüllten Räume; die Gefangenen lagen teils in Schlaf versunken oder vielleicht schon tot an den Wänden, teils umstanden sie große Wasserbehälter, aus denen sie tranken, um den Fieberdurst zu löschen, teils saßen sie am Boden, die Ellbogen auf die Knie gestützt, die Köpfe in den Händen vergraben. Da und dort schmiegten sich schlummernde Kinder an ihre Mütter. Stöhnen, schwere Atemzüge der Kranken, Weinen, geflüstertes Gebet, leise gesungene Hymnen und die Flüche der Aufseher durchhallten die Gewölbe. Leichengeruch verpestete die Luft. In der dunklen Tiefe wimmelte es von schwarzen Gestalten; in der Nähe des flackernden Lichtes sah man blasse, hungrige, leichenhafte Gesichter mit trüben oder fieberglänzenden Augen, blauen Lippen, schweißtriefenden Stirnen und klebrigen Haaren. Aus den Ecken drang lautes Stöhnen der Kranken, dort rief einer nach Wasser, hier flehten mehrere, zum Tode geführt zu werden. Und doch war dieser Kerker weniger furchtbar als das alte Tullianum. Die Füße drohten Vinicius zu versagen, sein Atem begann zu stocken. Hier war Lygia! Die Haare standen ihm zu Berge, und er hatte Mühe, einen Schrei der Verzweiflung zu ersticken. Das Amphitheater, die Zähne der wilden Tiere, das Kreuz – alles war besser als diese entsetzlichen Kerker, wo aus jeder Ecke jammernde Stimmen riefen:
    „Führt uns zum Tode!“
    Vinicius mußte seine ganze Energie zusammennehmen, um nicht von Schwachheit übermannt zu werden. Alles, was er bisher empfunden, seine Liebe und seine Qualen, summierte sich jetzt im heißen Verlangen zu sterben.
    Eben fragte an seiner Seite der Aufseher der Leichengruben:
    „Wie viele Leichen habt ihr?“
    „Ungefähr ein Dutzend“, erwiderte der Kerkermeister; „morgen früh werden es mehr sein, denn viele liegen im Sterben.“
    Und er begann sich über die Frauen aufzuhalten, die ihre toten Kinder verbargen, um nicht von ihnen getrennt zu werden, nicht ihr Teuerstes den Kloaken übergeben zu müssen.
    „Wir müssen oft die Leiche durch den Geruch finden, der die so schon fürchterliche Luft noch mehr verpestet. Lieber wollte ich in einem Ergastulum Sklave sein als diese lebendig verfaulenden Hunde überwachen.“
    Der Grubenaufseher tröstete ihn damit, daß er sagte, seine Arbeit sei nicht angenehmer.
    Vinicius hatte seine Geistesgegenwart wiedererlangt und begann, das Verlies zu durchsuchen. Doch nirgends fand er Lygia und gab allmählich die Hoffnung auf, sie noch einmal lebend zu sehen. Einige der Keller waren durch neu gegrabene Gänge miteinander verbunden; die Leichenträger betraten aber nur solche Räume, worin Tote

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