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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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versetzte Chilon, „aber vor meinen Augen ist es Nacht.“
    „Wie, Nacht? Mögen die Götter dir gnädig sein! Wie, Nacht?“
    „Nacht, geisterhafte, undurchdringliche Nacht, in der sich etwas bewegt, auf mich zukommt; aber ich weiß nicht, was es ist, und bin vor Schrecken außer mir.“
    „Ich habe immer an Hexen geglaubt. Aber träumst du nicht von etwas?“
    „Nein, denn ich schlafe nicht. Ich erwartete nicht, daß sie so bestraft würden.“
    „Tun sie dir leid?“
    „Warum vergießt ihr so viel Blut? Hast du gehört, was der vom Kreuze aus sprach? Wehe uns!“
    „Ich hörte es“, antwortete Vestinus leise, „aber sie sind Brandstifter.“
    „Es ist nicht wahr!“
    „Feinde des Menschengeschlechtes.“
    „Es ist nicht wahr!“
    „Sie haben das Wasser vergiftet.“
    „Es ist nicht wahr!“
    „Kindesmörder.“
    „Es ist nicht wahr!“
    „Wie?“ forschte Vestinus erstaunt. „Du selbst hast dies gesagt und sie den Händen des Tigellinus überliefert.“
    „Darum umgibt mich Nacht, und der Tod nähert sich mir.
    Manchmal kommt es mir vor, als sei ich schon tot und ihr wäret es auch!“
    „Sie sind es, die sterben müssen, wir leben. Aber sage mir: Was sehen sie im Tode?“
    „Christus!“
    „Er ist ihr Gott. Besitzt er Macht?“
    Chilon antwortete mit einer Frage; „Was werden das für Fackeln sein, die in den Gärten brennen sollen? Hast du gehört, was der Cäsar sagte?“
    „Ich hörte und ich weiß es. Diese Fackeln werden ‚sarmentitii‘ und ‚semaxii‘ genannt. Man richtet sie zu, indem man einen Menschen mit der ‚peinlichen Tunika‘ bekleidet, in Pech taucht, an eine Säule bindet und an deren Fuße Feuer anzündet. Möge der Gott der Christen darum kein Unglück über die Stadt bringen! Semaxii! Das ist eine furchtbare Strafe.“
    „Aber vielleicht sehe ich sie doch lieber, es fließt wenigstens kein Blut dabei“, erwiderte Chilon. „Befiehl einem Sklaven, den Becher an meinen Mund zu halten! Ich möchte trinken, aber ich verschütte den Wein; meine Hand zittert vor Alter.“
    Auch andere sprachen von den Christen. Der alte Domitius Afer sagte:
    „Es gibt von ihnen so viele, daß sie einen Bürgerkrieg erregen könnten, und man fürchtete, sie würden sich bewaffnen, aber sie sterben willig, ohne sich zu verteidigen.“
    „Sie sollen es nur versuchen, anders zu sterben“, warf Tigellinus ein.
    Petronius erwiderte darauf:
    „Ihr täuscht euch; sie bewaffnen sich!“
    „Womit?“
    „Mit Geduld.“
    „Das ist eine neue Art Waffe.“
    „Richtig; aber könnt ihr sagen, daß sie wie gemeine Verbrecher sterben? Nein, sie sterben, als ob die Verbrecher die wären, die ihr Todesurteil sprachen – nämlich wir und das ganze römische Volk.“
    „Welch ein Unsinn!“ rief Tigellinus.
    „Wir sind in Abdera“, sagte Petronius, und die übrigen wußten, was er meinte – Abdera war die Stadt der Narren.
    Doch andere waren betroffen von dem, was er vorher gesagt hatte, sahen sich erstaunt an und wiederholten:
    „Ja, es liegt etwas Besonderes und Eigentümliches in ihrem Sterben.“
    „Ich sage euch, sie sehen ihre Gottheit“, rief Vestinus.
    Darauf wandte sich eine Gruppe Augustianer an Chilon:
    „Ah, alter Mann, du kennst sie genau; sag uns, was sie sehen!“
    Der Grieche verschüttete den Wein auf seine Tunika und antwortete:
    „Die Auferstehung!“
    Und er begann so stark zu zittern, daß die Nahesitzenden in lautes Lachen ausbrachen.

LX
    Vinicius hatte schon seit einiger Zeit die Nächte außer dem Hause zugebracht. Petronius nahm deshalb an, er habe einen neuen Plan entworfen und bereite Lygias Rettung aus dem Esquilinischen Gefängnis vor. Er wollte sich jedoch nicht einmischen, um nicht etwa damit das Gelingen des Werkes zu verhindern. Der skeptische Schöngeist war nämlich in gewissem Sinne abergläubisch geworden. Weil ihm die Rettung Lygias aus dem Mamertinischen Kerker mißglückt war, hörte er auf, an seinen Stern zu glauben.
    Zudem schien ihm ein Gelingen der Pläne seines Neffen ohnehin ausgeschlossen. Der Esquilinische Kerker, in aller Eile aus Kellern solcher Häuser gebildet, die man, um dem Feuer zuvorzukommen, niedergerissen hatte, war allerdings nicht so furchtbar wie das alte Tullianum beim Kapitol; dafür wurde er aber um so schärfer bewacht. Petronius verhehlte sich nicht, daß man Lygia dorthin gebracht hatte, um sie vor zu frühem Tode, nicht aber um sie damit vor dem Amphitheater zu bewahren. Er wußte, daß man sie mit der größten

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