Quo Vadis
sollst du sterben, in alle Ewigkeit verdammt sein.“
Unfähig, die Hand vom Kreuz zu lösen, verzerrte Crispus seinen Körper grauenhaft. Der Anblick war schrecklich. Ein lebendes Gerippe, unbeugsam wie das ewige Fatum selbst, schüttelte er den weißen Bart gegen das Podium hin, während die Rosen von seinem Haupt herabfielen.
„Wehe dir, Mörder! Dein Maß ist voll, und deine Stunde schlägt.“
Er machte einen letzten Versuch. Es war, als wolle er die Hand vom Kreuze wegreißen, um sie drohend gegen Nero auszustrecken. Doch plötzlich dehnten sich die fleischlosen Arme noch mehr aus, der Leib hing schlaff herab, das Haupt sank auf die Brust nieder. Er war tot.
Und in dem weiten Wald von Kreuzen begann das Sterben, zunächst bei den Schwächeren, bis sich die Ruhe des Todes über die Arena ausbreitete.
LIX
„Herr“, sagte Chilon, „die See ist gleich Olivenöl, die Wogen scheinen zu schlafen. Gehen wir nach Achaia! Dort erwartet dich der Ruhm Apollons, Kronen und Triumphe sind für dich bereit; dein Volk wird dich vergöttern, die Götter werden dich wie einen Gast empfangen, einen ihresgleichen; aber hier, o Herr! –“
Er hielt inne, denn seine Unterlippe begann so heftig zu zittern, daß seine Worte zu einem unverständlichen Gestammel wurden.
„Wir werden zu den Spielen gehen“, antwortete Nero. „Ich weiß, daß jetzt einige die Christen gar als unschuldige Opfer, ‚innoxia corpora‘, bezeichnen. Ginge ich fort, würden alle dieses Wort wiederholen. Was fürchtest du?“
Der Cäsar runzelte die Stirn, sah aber Chilon mit forschendem Blick an, als ob er eine Antwort erwarte; denn der Anschein des Kaltblütigen, den er zur Schau trug, war nicht echt. Bei der letzten Vorstellung hatten ihm die Worte des Crispus Furcht eingejagt; nachdem er zum Palatin zurückgekehrt war, hatte er vor Wut, Scham und Angst nicht schlafen können.
Vestinus, der dem Gespräch schweigend zugehört hatte, blickte um sich und begann mit geheimnisvoller Stimme:
„Höre, Herr, auf diesen alten Mann! Es ist etwas Eigentümliches in diesen Christen. Ihre Gottheit erleichtert ihnen den Tod, dürfte aber gegen dich rachedurstig sein.“
„Nicht ich habe die Spiele angeordnet, sondern Tigellinus“, versetzte Nero rasch.
„Ja, ich habe es getan“, fiel Tigellinus ein, der des Cäsars Antwort vernommen hatte, „und ich spreche allen Christengöttern Hohn. Vestinus ist voller Vorurteile, und dieser tapfere Grieche stirbt vor Angst, wenn er eine Henne mit aufgesträubten Federn ihre Küken verteidigen sieht.“
„Das ist richtig“, sagte Nero, „befiehl aber, daß man den Christen künftig die Zunge ausschneidet und den Mund verstopft!“
„Das Feuer wird dies tun, o Gottheit!“
„Wehe mir!“ ächzte Chilon.
Der Cäsar, dem die Dreistigkeit des Tigellinus Mut einflößte, fing an zu lachen und sagte, auf den alten Griechen zeigend:
„Sieh, wie ein Abkömmling des Achilleus aussieht!“
Und wirklich machte Chilons Anblick einen erbärmlichen Eindruck. Seine wenigen Haare waren weiß geworden. Auf seinem Gesicht spiegelten sich Schrecken, Unruhe, Bedrücktheit. Manchmal glich er einem Betäubten, halb Bewußtlosen; oft gab er auf Fragen keine Antwort, dann verfiel er wieder in Zorn und wurde dabei so unverschämt, daß ihn die Augustianer lieber nicht angriffen.
„Tut mit mir, was ihr wollt, ich werde nicht zu den Spielen gehen“, rief er verzweifelt aus.
Nero sah ihn eine Weile an und wandte sich dann an Tigellinus:
„Trage Sorge, daß mir dieser Stoiker in den Gärten nahe ist; ich möchte wissen, was für einen Eindruck unsere Fackeln auf ihn machen!“
Der drohende Ton, der in des Cäsars Stimme schwang, erschreckte Chilon.
„O Herr!“ sagte er. „Ich werde nichts sehen, denn ich kann bei Nacht nichts unterscheiden.“
„Die Nacht wird taghell sein“, erwiderte der Cäsar mit boshaftem Lachen. Dann wandte er sich zu den Augustianem und sprach über Pferderennen, die er nach den Spielen zu veranstalten beabsichtigte.
Petronius näherte sich Chilon und sagte, ihm auf die Schulter klopfend:
„Habe ich nicht gesagt, daß du es nicht aushalten würdest?“
„Ich möchte trinken“, sprach Chilon und griff mit seiner zitternden Hand nach einem Becher Wein, war aber unfähig, ihn an den Mund zu bringen. Vestinus sah es, nahm den Becher und reichte ihn Chilon; später rückte er ihm näher und forschte mit neugierigem und erschrecktem Gesichte:
„Verfolgen dich die Furien?“
„Nein“,
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