Quo Vadis
hin in den Palast gekommen war. Er zählte jedoch darauf, bei der ersten Unterredung mit dem Cäsar den Unsinn eines solchen Verdachtes klar zu beweisen, er rechnete auf eine gewisse Schwäche Poppäas in bezug auf seine Person – eine Schwäche, die sie zwar sorgfältig verbarg, die er aber erraten hatte. Er zuckte die Achseln über solche Befürchtungen und entschloß sich, nach dem Triclinium zu gehen, um eine Stärkung zu nehmen, und dann einen Besuch auf dem Palatin, dem Marsfeld und bei Chrysothemis zu machen.
Auf dem Gang nach dem Triclinium erblickte er unerwartet die schlanke Gestalt Eunikes an eine Wand gelehnt. Da er vergessen hatte, daß er dem Atriensis keinen anderen Befehl gegeben hatte, als sie auszupeitschen, runzelte er abermals die Stirn und schaute sich nach ihm um. Als er ihn nicht bei den umstehenden Sklaven sah, wandte er sich zu Eunike.
„Hast du die Streiche bekommen?“
Wieder warf sie sich auf die Knie, drückte den Saum seiner Toga an ihre Lippen und sagte:
„Ja, Herr, ja.“
Freude und Dankbarkeit sprachen aus ihrer Stimme. Es war klar, daß sie die Streiche als einen Ersatz ihrer Entfernung aus dem Hause ansah und glaubte, dableiben zu dürfen. Petronius erkannte dies und war verwundert über ihren leidenschaftlichen Widerstand; doch er war zu sehr Kenner der menschlichen Natur, um nicht einzusehen, daß allein Liebe solchen Widerstand hervorrufen konnte.
„Liebst du jemand in diesem Hause?“ fragte er.
„Ja, Herr.“
Und mit diesen Augen, dem goldenen, zurückgeworfenen Haar, in den Zügen den Ausdruck der Angst und der Hoffnung zugleich, erschien sie so schön, bat sie so flehentlich, daß Petronius, der als Philosoph die Macht der Liebe verkündete und als Schöngeist jeder Schönheit huldigte, ein gewisses Mitgefühl empfand.
„Wer unter diesen ist dein Geliebter?“
Er bekam keine Antwort. Eunike beugte das Haupt auf seine Füße nieder und blieb bewegungslos.
Petronius musterte die Sklaven, unter denen sich schöne, stattliche Männer befanden. Auf keinem Gesicht war die Antwort zu lesen; alle zeigten vielmehr ein eigenes Lächeln. Er betrachtete noch eine Zeitlang das vor ihm kniende Mädchen und begab sich ins Triclinium.
Nach dem Mahle ließ er sich nach dem kaiserlichen Palast und darauf zu Chrysothemis tragen, bei der er bis tief in die Nacht hinein blieb. Heimgekehrt, rief er nach Teiresias.
„Hat Eunike die Hiebe bekommen?“ fragte er.
„Ja, Herr. Du befahlst jedoch, ihre Haut nicht zu verletzen.“
„Befahl ich weiter nichts, was Eunike betraf?“
„Nichts, Herr“, antwortete der erschrockene Atriensis.
„Es ist gut. Welchen von den Sklaven liebt sie?“
„Keinen, Herr.“
„Was weißt du von ihr?“
Teiresias antwortete mit etwas unsicherer Stimme:
„Bei Nacht verläßt sie das Cubiculum nie, das sie mit der alten Akrysiona und Iphida teilt; wenn du angekleidet worden bist, betritt sie den Baderaum nicht mehr. Man verlacht sie und gibt ihr den Namen Diana.“
„Genug“, unterbrach Petronius. „Vinicius, mein Neffe, dem ich sie heute zum Geschenk machen wollte, hat sie nicht angenommen; sie mag also hierbleiben. Du kannst gehen.“
„Darf ich von ihr noch mehr berichten?“
„Ich befahl dir, mir alles mitzuteilen, was du von ihr weißt.“
„Das ganze Gesinde spricht von der Flucht des Mädchens, das im Hause des edlen Vinicius wohnen sollte. Nach deinem Weggang, Herr, trat Eunike zu mir und sagte, sie kenne einen Mann, der jenes Mädchen finden würde.“
„Ah! Was für ein Mann ist es?“
„Ich weiß es nicht, Herr. Ich glaubte, dir davon Mitteilung machen zu sollen.“
„Es ist gut. Dieser Mann soll morgen hier die Ankunft Vinicius’ erwarten, den du in meinem Namen bitten wirst, mich hier aufzusuchen.“
Der Atriensis verbeugte sich und ging hinaus. Petronius begann, über Eunike nachzusinnen. Es war klar, daß die junge Sklavin nur deswegen wünschte, Vinicius möchte Lygia wiederfinden, damit sie nicht fortgehen müsse. Dann aber vermutete er, der Mann, den Eunike empfahl, möchte ihr Geliebter sein, ein Gedanke, der ihn sofort verstimmte. Es gab freilich einen einfachen Weg, um die Wahrheit kennenzulernen; er brauchte ja bloß Eunike herbeizubefehlen. Doch die Stunde war schon vorgerückt, Petronius fühlte sich nach dem langen Besuch bei Chrysothemis ermüdet und sehnte sich nach Schlaf. Auf dem Wege zum Cubiculum erinnerte er sich plötzlich, heute Fältchen in Chrysothemis’ Gesicht gesehen zu haben. Er
Weitere Kostenlose Bücher