R4ge Inside
einem riesigen Hummer in Deckung gegangen. Einer der Reifen war platt, die Beifahrertür stand offen. Auf dem Armaturenbrett war getrocknetes Blut und die Windschutzscheibe hatte Risse. Der Wagen, der zur Hälfte auf dem Gehsteig stand, war mit der vorderen StoÃstange gegen eine gemauerte Einfahrt geprallt. Wer auch immer das Auto gefahren hatte, er musste zu schnell und nicht angeschnallt gewesen sein.
Sicherheit kam immer zuerst.
»Siehst du was?« Nathan lugte um den Hummer herum. Den Baseballschläger hatte er sich zwischen die Knie geklemmt.
Beide starrten auf das dunkle Haus.
»Nein«, sagte Aries. »Aber das hat nichts zu bedeuten. Wir sind noch zu weit weg. Die Türen sind alle zu.«
Nathan runzelte die Stirn. »Ich weià nicht. Niemand steht Wache. Es sieht genau so aus, wie Clementine das von Brandis Haus beschrieben hat. Ich glaube, wir sollten wieder gehen.«
Aries stand auf. Clementines Anschuldigungen schwirrten ihr immer noch im Kopf herum. Ihre Wangen brannten, als sie daran dachte, was sie gesagt hatte. Clementine hatte sie einen Feigling genannt. Eine miserable Anführerin. Vielleicht nicht mit genau diesen Worten, aber so hatte sie es gemeint. Aries konnte es nicht dabei bewenden lassen. Sie musste beweisen, dass sie mehr war als ein cleveres Mädchen, das richtig gut darin war, sich zu verstecken.
»Wir können nicht weg«, sagte sie. »Ich gehe erst, wenn ich ganz sicher bin.«
Nathan seufzte. »Du bist der Boss. Aber damit das klar ist: Mir gefällt die Sache nicht. Woher wissen wir, dass sie nicht gerade auf dem Weg zu uns sind?«
»Wir hätten sie gesehen«, fuhr sie ihn an. »Es gibt nur eine direkte Route von uns bis hierher und die haben wir genommen. Die Hetzer werden sich nicht durch die SeitenstraÃen anschleichen. Sie haben keinen Grund, vorsichtig zu sein.«
»Ich habe trotzdem ein schlechtes Gefühl.«
Aries nickte. Sie war richtig aufgekratzt. Adrenalin strömte durch ihren Körper. Wenn die Hetzer dort drin waren, würde sie jeden Einzelnen von ihnen töten. Das würde Clementine beweisen, dass sie stark genug war, die Gruppe zu leiten. Und vielleicht bekam Colin dann ein bisschen Respekt vor ihr.
»Sie wollte dich nicht beleidigen«, sagte Nathan. »Aries, wir sollten wirklich von hier verschwinden.«
Sie schüttelte den Kopf. »Komm mit.« Ohne auf seine Antwort zu warten, ging sie um den Wagen herum und überquerte die StraÃe. Hinter sich hörte sie Nathans Schritte auf dem Asphalt.
Sie wusste, dass sie unvorsichtig war, aber sie konnte jetzt nicht aufhören. Clementine hatte recht: Sie hatte sich schon viel zu lange geweigert, ein Risiko einzugehen. Und es war durchaus möglich, dass Graham und seine Familie noch lebten. Je mehr sie darüber nachdachte, desto sicherer war sie. Sie würde sie warnen und sie retten. Sie würde eine Heldin sein.
Anführer gingen Risiken ein. Sie trafen gefährliche Entscheidungen, die manchmal jemandem das Leben kosteten. Sie waren im Krieg. Die Hetzer legten die Regeln fest. Sie musste lernen, ihr Spiel zu spielen.
Als sie näher kamen, erkannte Aries, dass die Haustür einen Spalt offen stand.
Sie zögerte nicht mehr. Die Stimme in ihrem Hinterkopf, die ihr zurief, endlich aufzuhören, sich wie ein Idiot zu benehmen, ignorierte sie.
Die Tür ging nur bis zur Hälfte auf. Sie wurde von irgendetwas blockiert. Aries stemmte sich mit ihrem ganzen Gewicht dagegen, bis sich die Barriere hinter der Tür zu bewegen begann. Mit einem schmatzenden Geräusch rollte eine Leiche in Richtung Treppe. Als ihr der Geruch in die Nase stieg, begann Aries zu würgen und sie machte unwillkürlich einen Schritt nach hinten, wo sie gegen Nathan prallte.
Clementine hatte recht, sie war wirklich nichts gewöhnt. In letzter Zeit hatte sie einige Leichen gesehen, und sie konnte sich auch noch sehr gut an den Verwesungsgeruch im Haus ihrer Eltern erinnern. Doch es war das erste Mal, dass sie jemanden aus nächster Nähe sah, der gerade eben noch gelebt hatte.
So viel Blut.
»Das ist Grahams Frau«, sagte Nathan leise. »Ich weià nicht mehr, wie sie heiÃt.«
»Ich auch nicht«, sagte sie. Das ärgerte sie noch mehr.
»Glaubst du, es ist noch jemand am Leben?«
Aries richtete sich auf und holte tief Luft. Sie konnte das. Sie war stark, egal, was die anderen dachten. »Finden wirâs raus.
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