R4ge Inside
Chickadee war auch nicht erfunden. Du hast sie umgebracht.«
Pauls Augen blitzten vor Wut. »Ihre Krankheit hat sie umgebracht.«
Mason schüttelte unwillig den Kopf. »Dass du dich vom Acker gemacht hast, war keine groÃe Hilfe.«
Sie starrten sich an. Aus dem Augenwinkel heraus sah Mason, dass die Männer wieder in Alarmbereitschaft waren â offenbar rechneten sie mit Schwierigkeiten.
»Alles, was man tut, hat Folgen«, sagte Paul schlieÃlich. »Der Krieger in der Geschichte wurde für seine Selbstsüchtigkeit in Stein verwandelt. Glaub bloà nicht, dass ich weggegangen bin, ohne dabei ein Stück meiner Seele zu verlieren.«
»Was fällt dir eigentlich ein?« Masons Stimme war unnatürlich tief und ruhig. »Du hast kein Recht, sie zu bedauern. Und du kannst nicht um sie trauern. Du hast dich wie ein Feigling benommen. Dich in Stein zu verwandeln wäre nur eine Belohnung.« Dann stand er auf und ging weg. Die Gruppe der Männer teilte sich, als er auf sie zukam, und lieà ihn durch. Niemand sagte etwas.
»Nur damit duâs weiÃt: Ich bin froh, dass du es warst!«, rief Paul ihm nach. »Sie hat dich wirklich gern gehabt.«
Mason wollte ihm erklären, dass Chickadee es verdient hatte, im Kreis ihrer Familie und Freunde zu sterben. Sie hätte die letzten Stunden ihres Lebens nicht in einem staubigen Motelzimmer verbringen sollen, nur mit Mason, der hilflos ihre Hand gehalten hatte.
Und es wäre noch besser gewesen, wenn sie als alte Frau gestorben wäre, umgeben von ihren Kindern und Enkelkindern. Sie hätte eine Legende sein sollen.
Jemand hätte ihr die Welt zu FüÃen legen sollen.
Aber sie war tot. Sie lag in einem flachen Grab, an dem nur Mason richtig um sie hatte trauern können.
Das alles hätte er Paul sagen können, aber er tat es nicht. Er sah keinen Grund dafür.
Selbst wenn er es sich noch so sehr wünschte, sie würde nicht zurückkommen. Und Schuld war die gröÃte Reue. Er hatte den Blick in Pauls Augen gesehen. Er hatte kein Mitleid mit ihm, aber er verstand.
Daniel schlief, als Mason wieder im Zelt war. Jemand hatte noch eine Decke vorbeigebracht, rosa, mit einem grauenhaften Blumenmuster, und Mason deckte ihn zu. Daniel bewegte sich im Schlaf, gefangen in seinen dunklen Träumen. Jedenfalls nahm Mason das an, als er den angestrengten Ausdruck auf dem Gesicht des Jungen sah. Inzwischen träumte niemand mehr von Hundewelpen und kleinen Kätzchen. Mason, der zu angespannt war, um zu schlafen, ging wieder hinaus und fing an, ziellos im Camp herumzulaufen.
Zum Glück regnete es nicht, aber die Nacht war kalt. Wenn er in die Luft hauchte, konnte er seinen Atem sehen â eine weiÃe Nebelwolke, die in der Atmosphäre verschwand. Er wünschte, er hätte eine dickere Jacke gehabt; sein Kapuzenpulli konnte nicht viel gegen die Kälte ausrichten. Sein Körper fühlte sich ständig nass und klamm an. Aber es gab eine Menge Leute, die noch schlechter dran waren als er. Er hatte mehrere Männer und Frauen gesehen, die nur mit dünnen Hemden bekleidet waren. Einige hatten sich Decken um die Schultern gelegt. Eine Frau hatte sogar nur ein dünnes Sommerkleid getragen.
Die Hetzer hatten allen, die kamen, Zuflucht versprochen. Sie hatten Unterkunft und Verpflegung versprochen und einen sicheren Ort, an dem man ausruhen konnte. Offenbar hatten sie aber niemandem erlaubt, eine Reisetasche mit ein paar Sachen zu packen. Und die knappen Essensvorräte waren ein Witz.
Nach dem zu urteilen, was er bis jetzt gesehen hatte, waren die Arbeitsbedingungen unterirdisch schlecht. Hier bekam der Ausdruck »zu Tode gearbeitet« eine völlig neue Dimension. Offenbar hatten die Hetzer genaue Pläne für ihre neue Welt ausgearbeitet, die sie jetzt umsetzten, mit oder ohne freiwillige Hilfe von normalen Menschen. Wer wusste schon, was danach geschehen würde? Mason hatte den Verdacht, dass sie nicht in eine normale Welt zurückkehren würden, in der jeder so leben konnte, wie er wollte.
Während er am Zaun entlangging, starrte er aufs Wasser hinaus und ignorierte den Hetzer, der ihn aus einigen Metern Entfernung beobachtete, den Finger lässig am Abzug seiner Maschinenpistole.
Auf dem Meeresarm False Creek konnte er Boote sehen. Sie schaukelten sanft auf den Wellen, leere Wasserfahrzeuge, die im Hafen herumgeisterten. Wäre es nicht schön, auf einem
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