Rabenflüstern (German Edition)
Versagen nach sich gezogen hat.«
»Und noch eines«, stoppte sie ihn erneut. »Sollte dein Gefährte«, bei diesen Worten wurde Sedain, der es irgendwie an den Wachen vorbeigeschafft haben musste, unsanft unter Zuhilfenahme einiger Speerspitzen nach vorne getrieben, »es noch einmal wagen, gegen meine Befehle zu verstoßen, werfe ich ihn meinem Haustier zum Fraß vor.« Die Raubkatze knurrte genüsslich, als hätte sie ihre Herrin verstanden, wobei zwei Reihen messerscharfer Zähne aufblitzten.
***
Am Abend war niemandem so richtig nach Feiern zumute, trotz des netten Ambientes des Gästeflügels, in dem sie weitestgehend unter sich waren. Sedain und Kraeh unterhielten sich lange, während Rhoderik und Henfir, der Bogenschütze, sich um Nachschub an Ale, Obst, Käse und Brot für sich und die vier Dutzend zusammengewürfelter Soldaten aus Brisak und Skaarbrok kümmerten. Der Halbelf hegte immer noch einen Groll gegenüber dem hochnäsigen Verhalten der Drudenkönigin, hieß sie eine Hexenschlunze und erklärte in einem Nebensatz, wie er mit Lou gebrochen habe, deren eitles Gehabe er auch nicht länger hatte ertragen können. Das Verhalten seines Freundes erschütterte Kraeh zutiefst. Ihr Gespräch drehte sich im Kreis. Immer wenn er seinem Freund nahelegte, man müsse sich, sofern es unabdingbar ist, auch einmal einen Fehltritt eingestehen, antwortete Sedain mit Hasstiraden über das unverschämte Verhalten, das die Druden ihnen entgegenbringen würden. Vor allem erboste er sich darüber, dass man ihnen die Waffen abgenommen hatte – auch Kraehs Klingen waren einbehalten worden –, und über die Dreistigkeit, einer Hochkönigstochter keinerlei Beachtung zu schenken. Heikhe selbst saß verlegen daneben und wusste mit dem Zorn Sedains nichts anzufangen.
Zum Glück erschien nach einiger Zeit Orthan, der noch abgeschlaffter wirkte als üblich. Er entschuldigte sich, zuvor in der Empfangshalle nicht anwesend gewesen zu sein, schloss dabei Kraeh in eine innige Umarmung und fand, nachdem er sich gesetzt hatte, sogleich einige Argumente, die den Halbelfen, wenn auch nicht gänzlich überzeugten, so doch ein wenig beschwichtigten. Als sie das Thema für beendet erklärt hatten, berichtete er, wie er den Nachmittag mit Vorbereitungen für den großen Rat am Folgetag verbracht hatte. »Keine leichte Angelegenheit«, konstatierte er. »Alle Könige, Kriegsherren und anderweitige Regenten werden sich morgen zusammenfinden, um über das weitere Schicksal der Welt zu bestimmen.« Die letzte Zusammenkunft dieser Art lag seinen Angaben zufolge mehr als ein Jahrhundert zurück und damals sei das Ergebnis Krieg gewesen. Genaueres über die Form des Treffens wollte er den Anwesenden jedoch nicht mitteilen. »Ihr werdet schon sehen«, sagte er, sich die Schläfen und die übernächtigten Augen reibend, als Rhoderik und Henfir zurückkehrten und voll beladene Tabletts auf dem Tisch abstellten.
Noch eine Weile wurde gegessen und getrunken. Kraeh sparte, bis auf den Besuch im Freudenhaus, kaum ein Detail aus, als er laut die Geschichte seiner Reise zum Styx und hinüber zur anderen Seite zum Besten gab. Diese Episode enthielt er ihnen vor, um irgendwann einmal, in einer kalten Nacht am Lagerfeuer in der Runde seiner engsten Freunde, darauf zurückzukommen. Nur eine Unannehmlichkeit geschah, bevor sie alle gesättigt und betrunken in den ihnen zugeteilten Schlafsaal wankten. Es begab sich nämlich, dass einer der Soldaten zwei Druden, die vorbeikamen, um nach dem Rechten zu sehen, mit anzüglichen Bemerkungen überhäufte. Von seinen Kameraden johlend angefeuert, traute er sich, eine am Rock zu berühren. Sofort zogen die Druden ihre Waffen. Zuerst schien es, als ob Orthans Versuche, sie von einem blutigen Ausgang abzuhalten, scheitern würden, doch sobald Heikhe mit Kraeh und Rhoderik in ihrem Rücken neugierig nach vorne trat, änderte sich das Verhalten der Kriegerinnen abrupt. Sie steckten ihre Schwerter weg, die eine der beiden verpasste dem Beleidiger einen Kinnhaken und wortlos verließen sie den Raum.
»Noch mal Glück gehabt, die Nutten«, kommentierte Sedain enttäuscht.
»Vielleicht irren wir uns auch in Heikhes Stellung an diesem Hof«, grübelte Kraeh vor sich hin, ohne von jemandem gehört zu werden.
Der nächste Tag begann für alle früh. Noch bevor die Sonne aufgegangen war, wurden die Kriegskrähe und Sedain geweckt. Auf einem der Gänge des ihnen zugänglichen Traktes der Festung
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