Rabenflüstern (German Edition)
aufstehen, doch Kraeh hielt ihn zurück. »Lass mich, wenn du nichts dagegen hast.«
Erden warf einen weiteren Stein und enttäuscht, wieder nur einen Schild getroffen zu haben, winkte er ab. »Nur zu, schneid dem Schreihals die Gurgel durch. Er geht mir auf die Nerven.«
Aber es war nicht der Hauptmann, der durch die enge Lücke, die sich im Schildwall auftat, hindurchtrat. Er hatte seinen besten Schwertkämpfer geschickt. Einen luchsäugigen Mann, der in etwa Kraehs Alter hatte, jedoch von schmalerem Körperbau und einen halben Kopf kleiner als dieser war. Ohne weiteres Gerede wollte er mit seinen zwei Klingen auf Kraeh losgehen, doch dieser gebot ihm zu warten. »Zuerst müsst ihr eine Garantie bieten, im Falle der Niederlage eures Kämpfers die Waffen abzulegen!«
Der Hauptmann drückte sich unwirsch durch die eigenen Reihen, stieß sein Schwert in den Boden und spuckte dem vorlauten, weißhaarigen Krieger, der noch nicht einmal seine Klinge gezogen hatte, vor die Füße. »Garantie? Ich bin Dietbod Heidentöter und schwöre, die Entscheidung des einzig wahren Gottes in diesem Händel anzunehmen.« Zur Bestätigung seiner Worte machte er zwei Schritte von seinem Schwert weg. »Lob sei dem Herrn!«, spornte er seinen Soldaten an. »Lob sei dem Herrn«, echote von hinten der Priester. Nun stand Erden doch auf, legte sein Beil neben das Schwert von Dietbod und schwor auf mindestens zehn Götter Ähnliches.
»Das Weib«, forderte der Hauptmann. Offensichtlich hatte er die Führungsstrukturen seiner Gegner durchschaut.
Im Nachvornegehen unterzog Lou den böse lächelnden Schwertkämpfer einer strengen Musterung. Neben Kraeh angelangt flüsterte sie ihm zu: »Er ist eine Ratte. Er wird einen Sturz vortäuschen.« Dann schwor sie bei der Erdmutter. Sie einigten sich, die Wahl der Waffen den Rivalen zu überlassen. Dietbod warf seinen schwanenfederbewehrten Helm in den Nacken, als wäre die Entscheidung bereits gefallen, da Kraeh keine Zweitwaffe forderte.
»Wie ist dein Name?«, fragte Kraeh sein Gegenüber. Dass der Mann ihn kannte, setzte er einfach voraus.
»Den piss ich auf deinen Leichnam, Bastard!«, stieß der Gefragte hasserfüllt hervor.
»Dann gibt’s wohl keine Blumen für die Witwe«, scherzte Henfir und Gnadnit lachte.
Durch diese kleine Ablenkung von seinen Freunden wäre der Kampf um ein Haar zu Ende gewesen, bevor er richtig begonnen hatte. Im letzten Moment parierte Kraeh die beiden als Schere hervorschnellenden Klingen und machte einen Satz zurück. Rasch setzte der Kleinere mit flinken Kombinationen nach. Er beherrschte sein Handwerk. Die Spitzen seiner Schwerter stießen vor wie Schlangenbisse und ließen Kraeh kaum Gelegenheit, ihnen etwas entgegenzusetzen. Am meisten jedoch verwunderte ihn der krampfhafte Hass, der ihm entgegenbrandete. Sie waren beide Krieger und da er nicht glaubte, dass der Namenlose etwas von der eigentlichen Identität des Sehers und dem ganzen großen Spiel wusste, waren die Seiten, auf denen sie standen, doch eher zufällig. Woher also dieser maßlose Groll? Er würde es wohl nie herausfinden, denn jetzt galt es, ihn mitsamt seinem Besitzer ins Jenseits zu befördern. Lidunggrimm lenkte den einen Hieb ab, unter dem nächsten duckte sich Kraeh hindurch. Allmählich hatte er die sich ständig in Variationen wiederholenden Abläufe durchschaut. Links oben oder unten, darauf folgte ein mittiger Stoß in Richtung Bauch oder Brust, danach links und rechts zwei schnelle Seitwärtsstreiche. Der Kampf zog sich in die Länge. Die ersten Sonnenstrahlen legten sich auf die schwitzenden Kontrahenten. Kraeh parierte einen Schlag, der auf seinen Hals zielte, und warf sich in die gekreuzten Klingen, somit ging der zweite Stoß ins Leere und Kraeh rammte dem anderen die Stirn gegen die Nase. Blut quoll aus ihr hervor und der Mann taumelte zurück. Jetzt war es an Kraeh anzugreifen. Funken stoben, als Lidunggrimm versuchte, die Verteidigung zu durchbrechen. Die Zurufe der einen Seite verklangen und die der anderen wurden laut. Der Minotaur grölte, er solle dem Anfänger endlich ein Ende bereiten. Plötzlich geschah, was Lou vorausgesehen hatte; Lidunggrimm zerschnitt das graue Hemd und das verstärkte Leder darunter und zog eine rote Linie über die Brust des Gegners. Vermeintlich aus dem Gleichgewicht gebracht, rutschte er auf dem tauigen Boden aus und fiel. Die Kriegskrähe setzte nicht nach, tat gar nichts, sah ihn einfach nur an, betrachtete das Kreuz, das um
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