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Rabenflüstern (German Edition)

Rabenflüstern (German Edition)

Titel: Rabenflüstern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Schmidt
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kümmern, im Augenblick hatten sie andere Sorgen. Der Schildwall der anrückenden Soldaten war fest. Jedes Schild war in das des Nebenmanns verkeilt, und obwohl sie Zeugen geworden waren, wie ihre Kameraden auf der anderen Seite des Sees in einem wilden Durcheinander von Fackelschein, Schatten und Schmerzensschreien aufgerieben worden waren, schienen sie zum Kampf entschlossen. Dies lag augenscheinlich vor allem an ihrem Anführer: ein struppbärtiger Mann, dessen Kopf ein prächtiger Helm zierte, auf dem ein Kamm von Schwanenfedern angebracht war. Er herrschte seine Soldaten an, standzuhalten und die Gefallenen mit dem Blut der Mörder zu rächen. 
    Selbst wenn Kraehs Leuten der Weg zu den eigenen Schilden nicht verwehrt oder sie die Gelegenheit genutzt hätten, die der Toten einzusammeln, wäre die Lage kaum aussichtsreicher gewesen. Die Soldaten, die ihnen da in strenger Disziplin entgegenkamen, hätten jede weniger geübte Formation trotz ihrer zahlenmäßigen Unterlegenheit langsam zermürbt und schließlich aufgerieben. Erden tanzte, ohne auf die Gefahr zu achten, wutschnaubend und kampfeslustig vor der Reihe, schleuderte den Anrückenden Schmähungen entgegen und forderte sie zum Zweikampf auf. Niemand wagte, die Herausforderung anzunehmen – nicht allein aus Angst vor Erden, sondern vor allem wegen der Drohung ihres Hauptmanns, der schwor, jeden, der es wagte, aus dem Glied zu treten, eigenhändig den Garaus zu machen. Einen Ausfallschritt vor der Kampflinie, die sich allmählich um sie schloss, ließ der Hauptmann haltmachen. Sie hatten den Weiher im Rücken und waren somit von dieser Seite aus nicht angreifbar. 
    Der Schein des Mondes tauchte die sich zaudernd gegenüberstehenden Krieger in schummriges Zwielicht. Auf dem Wasser spiegelte sich das Ebenbild des Sternenhimmels. 
    »Speere nach vorne«, befahl Kraeh, der bemerkte, wie die Kampfeslust allmählich verflog. Lou wiederholte seine Worte und die Druden traten in die erste Reihe.  
    Vereinzelt stießen ihre Kämpfer nach den Fersen und Schultern der brisakschen Soldaten. Oder sie versuchten mit einzelnen Vorstößen, dem Gegner in die Flanken zu fallen. Doch sie scheiterten mal um mal, der Schildwall stand rundum fest wie ein Mann. 
    »Ist das alles, was ihr könnt?«, höhnte der Hauptmann und er hatte recht, auf diese Art würden sie noch am nächsten Morgen hier stehen. 
    Und tatsächlich standen sich die Gegner noch gegenüber, als sich die ersten Anzeichen der Dämmerung zeigten. Vögel zwitscherten und das Wasser des Weihers färbte sich in der Vorahnung des baldigen Sonnenaufgangs milchig weiß. Immer wieder hatte der Hauptmann Befehl gegeben vorzurücken, in dem Versuch, die Reihen der sie Einkesselnden zu durchbrechen, und jedes Mal hatten Kraeh, Erden und Lou daraufhin ihre Krieger zusammengezogen und den Vormarsch aufgehalten. Eine Pattsituation ist für viele Krieger das Schlimmste. Müde und erschöpft waren die Schmähungen verhallt. Die Druden hatten von den Traktierungen mit ihren Spießen abgelassen. Die Männer in den hinteren Reihen des gegnerischen Schildwalls hatten zu einer sitzenden Position gewechselt, vermutlich hingen sie, verbarrikadiert hinter dem Schutz gewährenden Holz der Vorstehenden, unruhigen Träumereien nach, wenn sie nicht gar eingenickt waren. Doch plötzlich kam Bewegung in die Reihen. Der Hauptmann besprach sich mit einem Mann in brauner Kutte, der Kraeh zuvor nicht aufgefallen war. Sie diskutierten, wobei der Blick des Priesters dem Zeigefinger des Hauptmanns folgte, der auf die Stadt wies. 
    Henfir gähnte. »Sie haben Schiss, dass wir Unterstützung bekommen.« Und so war es. Die Verwundeten waren mittlerweile ein Stück abseits ins Schilf geschafft worden. Fünf Männer mühten sich ab, Tragen zu bauen. Sobald die Sonne aufging, würden sie in die Stadt gebracht werden und es lag nahe, dort die Lage darzustellen und um Hilfe zu bitten. Fünfzig Mann mehr, musste sich der Hauptmann denken, und man könnte sie ins Wasser drängen. 
    »Also gut, ihr Hurenböcke«, rief der Hauptmann, wobei seine Soldaten, erschrocken über seinen plötzlichen Ausbruch, abrupt hochfuhren. »Da ich keine Lust habe, bis zu eurer verdammten Götterdämmerung zu warten, ob ihr Feiglinge einen echten Angriff wagt, schlage ich vor, die Sache doch in einem Zweikampf auszutragen!« 
    Erden, der die Zeit damit verbracht hatte, liegend auf die Ellbogen gestützt ab und an einen Stein in die Reihen der Feinde zu werfen, wollte

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