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Rabenflüstern (German Edition)

Rabenflüstern (German Edition)

Titel: Rabenflüstern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Schmidt
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sollten sie den Dorn spüren, der fortan all ihr Tun begleitete. »Die Toten, Herr!«, lief der Priester quäkend auf Kraeh zu. »Ihr wollt sie doch nicht einfach liegen lassen.« 
    »Das hatte ich vor«, sagte er herablassend. Sein barhäuptiges Gegenüber hieß Pielsgar. Der Krieger gedachte ihm im Stillen den Namen Pfifferling zu, genauso aufdringlich und lästig spross er von nun an überall besonders dann hervor, wenn niemand nach seinem Rat verlangte, und drängte sich in den Mittelpunkt. Seine Stirn war knorpelig und hoch, was die kleinen, verkniffenen Schweinsäugelein noch mehr hervorhob. Seine pickelübersäte Nase, die überall hineinschnupperte, wo sie am wenigsten gebraucht wurde, war sein hervorstechendstes Merkmal. Ihre Flügel klappten erregt auf und zu, während ihr Besitzer drauf bestand, die Leichen zu begraben. Kraeh besprach sich mit den anderen und sie gaben dem Wunsch nach. Nicht wegen des Priesters, sondern wegen der Soldaten. An vielen Hälsen prangte das Kreuzsymbol und es wäre unklug gewesen, die frisch hinzugekommenen Männer gleich zu Beginn zu verunstimmen. 
    Die Löcher im nassen Boden auszuheben, war eine verdammte Drecksarbeit, die die Männer vor der Reise unnötig erschöpfte. Die Druden und die, die darin eine Beleidigung der eigenen Götter sahen, standen mit verschränkten Armen daneben. 
    »Sinnlos und unnötig«, brummte Erden und schwang dabei spielerisch einen erbeuteten Morgenstern. Er und Kraeh beschlossen, einen Boten zu schicken, der Orthan abholen sollte. Dieser würde den Pfifferling in seine Schranken weisen, sofern die Kette von Erdens neuem Spielzeug nicht zufällig riss und die schwere Eisenkugel dem Priester den Kopf einschlug, was insgeheim Kraeh und, aus ihrer Miene zu schließen, auch Lou hoffte. Die Kette tat es leider nicht. 
    Nach einem hastigen Abendessen setzten sie sich endlich, abgearbeitet und übermüdet von der durchwachten Nacht, in Bewegung. 
     
    *** 
     
    Der Thronsaal von Brisak ähnelte einem Gebeinhaus. Es roch nach Moder und Schwefel. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, die Rußflecken, die die an den Wänden angebrachten Fackeln hinterließen, zu entfernen. Wer hätte es auch tun sollen? Kaum ein Sterblicher wurde mehr vorgelassen in das Herz der Feste, nur die höchsten Gesandten und Bittsteller fielen noch vor dem pompösen Thron, hinter dessen Lehne sich allerhand fremde Banner angesammelt hatten, auf die Knie. Und keiner von ihnen tat es ohne berechtigte Furcht. 
    Bran hatte einen der bis zum Boden fallenden Vorhänge ein wenig zur Seite geschoben, um die untergehende Spätsommersonne zu betrachten. Seine Gattin war vor drei Tagen verschieden. Aus Gram, hatte ihre Lieblingszofe ihm versichert, doch er bezweifelte es. Wahrscheinlich war sie Niedswar, der sich auf der anderen Seite der Halle mit Berbast besprach, schlicht im Weg gewesen. Es kümmerte ihn nicht. Er hatte sie nie geliebt und ebenso wenig geschätzt, da sie ihm keine Kinder zu schenken vermocht hatte. Zweimal war sie schwanger gewesen, doch die Kinder kamen tot auf die Welt, danach hatten sie es nicht mehr versucht. Etliche Bastarde waren seinen Lenden entsprungen, darunter jedoch keiner, den er bevorzugte. Die meisten kannte er nicht einmal beim Namen. Nachdem Inse nun ebenso leise und unscheinbar gestorben war, wie sie gelebt hatte – selbst die Flammen ihres Bestattungsfeuers hatten träge gebrannt – war er frei, sich eine neue Gattin zu suchen. Er würde es tun, es war seine Pflicht, doch erst, wenn dieser Krieg zu einem Ende gekommen war. 
    Sein Königreich gedieh, hatte sich weit über die alten Grenzen ausgedehnt, über die Dänen-, Ork- und Bretonenlande, die ehemals wilden Gebiete stromauf und stromabwärts, sogar jene hinter den hohen Bergen im Süden, in deren Schächten dem Volksmund nach die letzten Zwergenstämme hausten, waren einverleibt worden. Die neue Religion hielt das Volk ruhig und demütig, aber trotz allem fühlte er sich ausgezehrt und überflüssig. Eine Tatsache, die ihm im Moment einmal mehr vor Augen geführt wurde. Nach einer knappen Verbeugung in seine Richtung, war der heimgekehrte General ohne Umschweife zu Niedswar geeilt, ihm Bericht zu erstatten. Er hätte hingehen, sich auf seine Autorität berufen und die Meldungen als Erster erfahren können. Doch was hatte Berbast schon kundzutun? Ein neuer Sieg? Ein wiederholtes Scheitern daran, die Drudenhexe zu stellen? – Ihm war es gleich. 
    Grotesker noch als die Szenerie, die sich

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