Rabenflüstern (German Edition)
Erkentruds Streitwagen an der Spitze. Dahinter die dreißig verbliebenen Utradin, gefolgt von dem, was an Reiterei übrig geblieben war, zum Schluss kam der ganze Rest.
»Der richtige Zeitpunkt, religiös zu werden, Kraeh«, grunzte Sedain und zog sich eine abgebrochene Speerspitze aus der Schulter. Am meisten schien er sich darüber zu ärgern, dass die Wunde eine seiner Tätowierungen verunzierte.
»Aye.«
»Und, bist du es?«
»Ich bereite mich darauf vor, einen Gott zu töten.«
»Das ist ein Anfang!« Der Halbelf lachte grimmig.
»Ficken wir diesen Hundesöhnen in ihre ranzigen Ärsche«, heizte Erden seine Männer an, von denen einige Mühe hatten, ihre Waffen zu halten, so erschöpft waren sie.
Gnadnit schälte sich aus seinem Kürass und schwang sich auf den Rücken eines reiterlosen Utradin. Sein roter Oberkörper, auf dem Schweiß glänzte, war von Narben übersät. Orthan, der das Ritual verlassen hatte, um an der Seite seines Königs zu sterben, erriet Kraehs Frage. »Nicht alle Verletzungen stammen vom Kampf. Minotauren fügen sich bei der Kriegerinitiierung selbst Schmerzen zu, um die Angst vor ihnen zu verlieren.«
»Nicht deine Art, Erden, hm?«, ging Kraeh Erden an, ihn zu bestärken, wie er selbst es mit seinen Männer machte.
»Nein. Ich füge lieber anderen Schmerz zu!« Die beiden grinsten sich an.
»Für die Göttin!«, kam es von vorne. Hörner erschallten und sie stürmten vorwärts.
Die sensenbewehrten Räder an Erkentruds Streitwagen fraßen sich durch Holz, Stahl, Fleisch und Kettengeflecht, bevor sie über die Körper der Gefallenen holperten. Siebenstreich folgte knapp dahinter und machte nur gelegentlich kleine Schlenker, damit die Hufe der Utradin mehr zu zertrampeln hatten. Für das Fußvolk war es hart, Schritt zu halten, sie mussten über die Leichen steigen, während der Gegner weiter versuchte, sie in Scharmützel zu verwickeln. Eine Gefahr, die sie völlig außer Acht gelassen hatten, kam im Sturzflug auf sie nieder. Berbast! Und der Mantikor war nicht allein. Eine ganze Armee dunkler Schwingen säumte die Luft. Schließlich nahmen auch noch Niedswars Schrecknisse am Kampf teil. Seine Harpyien, angeführt von Berbasts Mantikor, konzentrierten ihre Attacke auf den Streitwagen. Kraeh sah, wie Erkentrud ihren Speer in ein hässliches Maul stieß, dann verschwand sie unter den grotesken Leibern und Flügeln der Bestien. Als Erden bemerkte, dass es in der eingeschlagenen Richtung kein Vorankommen mehr gab, befahl er den Umstehenden, sich zu Bran durchzukämpfen. Kraeh und Sedain hingegen schlossen sich Lou an, die mit einem Trupp Druden versuchte, sich einen Weg zu ihrer Königin zu bahnen. Die Schwesternklingen so nah beieinander potenzierten Leid und Schmerz, wofür sie nicht umsonst standen. Der Regen war stärker geworden. Zuerst dachte Kraeh, es sei der Kampfrausch, der ihm suggerierte, die Tropfen seien rot. Doch es war tatsächlich so: Es regnete Blut. Das Gemetzel war unbeschreiblich. Der Lebenssaft floss in Strömen aus grässlichen Wunden, Gedärme quollen aus platzenden Bauchdecken, Lidunggrimms Gesang wurde zur alles übertönenden Melodie des Todes, in die Pian Anam frenetisch einfiel. Plötzlich war Erkentrud vor ihnen. Die Katzen vom Streitwagen hatten sich losgerissen und wüteten unkontrolliert an ihrer Seite. Irgendwie hatte sie es geschafft, sich zur Wehr zu setzen. Ihr Spieß war zerbrochen, mit beiden Teilen parierte sie die Klauen des Mantikors, der wild mit den Flügeln schlagend immer wieder auf sie eindrang. Lou rannte zu dem Wrack, das einmal der Streitwagen der Königin gewesen war und stieß sich mit aller Kraft von ihm ab. In einem tollkühnen Sprung segelte sie an der Flanke des Monstrums vorbei, wobei sie Schmerz beidhändig mit voller Wucht hinabfahren ließ. Ohne seinen linken Flügel konnte der Mantikor sich nicht in der Luft halten und stürzte ab. Kraeh gab ihm mit einem Stoß in den Hals den Rest und sah sich dem vor Raserei schäumendem Berbast gegenüber. An der ersten Attacke nicht teilnehmen zu dürfen hatte ihn in einen dauerhaften Zustand schierer Tobsucht versetzt; zudem war er so besessen, den alten Widersacher endlich zur Strecke zu bringen, dass er die zu Boden gegangene Erkentrud vergessen hatte. Sie rammte ihm den Schaft ihres Speeres an den Beinschienen vorbei in die rechte Wade. Als er wieder aufblickte, sah er die glühende Rune auf Lidunggrimms Klinge ihn anlachen. Das Schwert war in seine Brust
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