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Rabenflüstern (German Edition)

Rabenflüstern (German Edition)

Titel: Rabenflüstern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Schmidt
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gehalten wurde. Zu seiner Linken trugen zehn Wesen in Kutten einen Kessel, aus dem bei jedem Glockenschlag ein Scheusal kletterte, bevor es sich der widerwärtigen Horde anschloss, die dem Seher folgte. Tentakel waren dort zu sehen, stachelbewehrte Schwänze und Fratzen, wie die schlimmsten Albträume sie nicht erschaffen konnten. 
    Sie bauten sich keifend und tobend hinter den menschlichen Regimentern auf. Das war also Niedswars Auffassung, wie am besten die Moral der Kämpfer zu festigen sei. Den puren Schrecken im Rücken bliebe ihnen in der Verzweiflung nur die Flucht nach vorne. Er selbst lenkte seinen Wagen in die Trümmer des einstigen Königssitzes, wo er auf einer Anhöhe die Bestien zügelte. 
    Die Kronen der Bäume im Norden bogen sich unter der Last jener Kraft, die die Schwingen des Mantikors auf sie ausübte. Sein Flug endete auf den Trümmern eines Turmes, von dessen abgebrochener Spitze Steine zu Boden rieselten, als die Klauen des Ungetüms in seine brüchige Struktur stießen. Berbast sah zu seinem Meister hinab, der direkt unter ihm, einem absonderlichen Rhythmus folgend, auf die Glocke eindrosch. Er riss sein prächtiges Krummschwert aus der Scheide und lachte grollend bei dem jämmerlichen Anblick, den jene boten, die sie herausgefordert hatten. 
    Der alten Tradition folgend, trieben die Heermeister ihre Pferde auf die Mitte der Ebene zu, um die Gegenseite anzuhören, ehe sie sich das nächste Mal trafen, dann jedoch, um sich den Garaus zu machen. Diese Regel brachte selbst Niedswar davon ab, seine Glocke zum Klingen zu bringen. Er schloss sich mit Bran, Maet und den anderen Anführern zusammen, die ihre Speere hergebracht hatten. Berbast blieb zurück, für ihn gab es nichts zu besprechen, er war hier, um zu töten. Sie kamen auch auf Pferden. Brans Schlachtross war gepanzert, wie es einem Kaiser gebührte, Niedswar saß von einer scheuen Mähre ab. 
    »Du bist also der, der nicht davor zurückschreckt, hilflose Frauen und Kinder abzuschlachten«, eröffnete Erden das Gespräch. 
    »Ganz recht«, erwiderte der Seher gereizt, ohne den Räuberhauptmann eines Blickes zu würdigen. Der war starr auf Kraeh gerichtet. Mit wachsendem Unbehagen hielt der Krieger ihm stand. Finster und vorwurfsvoll glotzte ihn der Beweis seines Versagens aus der Augenhöhe seines Gegenübers an. Kraeh musste blinzeln. Er hatte die kleine Kraftprobe verloren und betrachtete den Feind nun von oben bis unten. Niedswar gab ein skurriles Bild ab. Über dem Leib kleidete ihn ein knielanges Kettenhemd über rotem Leder und auf dem Kopf saß ein bronzener Topfhelm mit ausgesparter Gesichtsplatte. Insgesamt schien er sich eher für den Krieg verkleidet zu haben, als dafür geschaffen zu sein. Hinzu kam sein ständiges Lächeln, das die Spötterei und Belustigung unterstrich, die er offenkundig empfand. »Deine Mutter wäre stolz auf dich«, sagte der Dämon beinahe freundlich. »Auch sie hatte eine Schwäche für aussichtslose Situationen.« 
    Kraeh war von diesen Worten verwirrt und wollte sich nicht vom Wesentlichen ablenken lassen, dennoch fühlte er sich zu einer Antwort genötigt. »Was redest du da? Wir werden euch in den Staub treten und meiner Mutter bist du nie begegnet.« 
    »Oh, aber das bin ich. Im Gegensatz zu dir hatte ich das Vergnügen.« 
    Bran war die Sache unangenehm, schon weil er nicht verstand, was da verhandelt wurde, im Übrigen ebenso wenig wie Kraeh. Der Seher machte eine wegwerfende Handbewegung und der Kaiser übernahm das Wort: »Seht der Wahrheit ins Angesicht! Euer aller Mut ist zu bewundern, doch gibt es hier keinen Sieg für euch, nur Niederlage und Tod. Ich unterbreite euch ein letztes Angebot.« Er machte eine Pause, die seine Großzügigkeit unterstreichen sollte. »Behaltet Ländereien und Titel, eure Weiber, eure Gefolgsleute. Alles, was ich verlange, ist, dass ihr hier und jetzt euer Knie beugt und mich als Kaiser über die bekannte Welt anerkennt.« 
    Die nun einsetzende Stille dehnte sich gefährlich aus. Schon glaubte Kraeh, Zweifel in den Zügen von Pandros und Gorka zu erkennen, als Erkentrud ihren zweischneidigen Speer in den Boden rammte. Sie öffnete ihre Handflächen. »Diese Erde, auf der wir stehen, gehört an erster Stelle der Göttin! Und dann, an zweiter: Heikhe Gunthertocht! Keinem Narren, der sich mit einem Dämon einlässt, der nicht weniger will, als die ganze Welt mit Schrecken und Chaos zu überziehen.« Der Seher war sich seines Einflusses auf den Kaiser wohl so

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