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Rabenflüstern (German Edition)

Rabenflüstern (German Edition)

Titel: Rabenflüstern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Schmidt
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gefahren und am Rücken wieder ausgetreten. Ein Ruck fuhr durch seinen Körper, als Kraeh sie umdrehte. 
    »Du bist …«, brachte er heraus und Blut rann in Fäden von seinen Lippen über den dichten Bart. 
    »… Kraeh, die Kriegskrähe! Und du nicht mehr als Futter für meinesgleichen.« Kraeh nahm sein Bein zu Hilfe, um die Klinge freizubekommen. Ein weiterer Hieb und Haupt und Bartzöpfe fielen zu Boden, ehe der Oberkörper zusammenklappte. 
    Was nun geschah, war Kraeh im Nachhinein selbst unerklärlich. Einem Schlafwandler gleich, erledigte er drei Soldaten in den blauen Waffenröcken der Lothen, die gerade einen Reiter aus dem Sattel gezogen hatten. Kurz erkannte er Sedains vor Wahnsinn verzerrtes Gesicht in dem Getümmel. Erst im Nachhinein erfuhr er, wie der Freund vollends zur Furie geworden war, als er den Leichnam Lous gefunden hatte. Doch Kraeh hatte seinen eigenen Weg zu gehen. Er bestieg das reiterlose Pferd und trieb es, sich den Weg frei hackend, aus dem Kampfgeschehen. 
    Der Blutregen hatte an Dichte und Heftigkeit zugenommen, durch seine Schlieren stürzten die Dämonenregimenter heulend in die Schlacht. Als er kurz über seine Schulter blickte, entdeckte er sein eigenes Banner neben dem schwarzen Schwan Siebenstreichs und ein gutes Stück entfernt das der Euskalden. Alle waren sie in die Enge getrieben. Rücken an Rücken verteidigten die Rebellen ihre Stellungen. Sobald die Dämonen die Umzingelten erreichten, würde ihr Widerstand brechen und jene seiner Freunde, die noch am Leben waren, würden neben ihren Kriegern sterben. 
    Täuschten ihn seine Sinne? Dort, rechts von ihm, auf einer kleinen Anhöhe, wo eigentlich niemand hätte sein dürfen, machte er die Konturen dreier Gestalten aus. Einer von Henfirs Bogenschützen, dessen Pferd durchgegangen war, bemerkte sie offensichtlich nicht, wie er, dem Willen des Tiers ausgeliefert, nahe an ihnen vorbeipreschte. Schon lange hatte der Krieger eine Idee mit sich herumgetragen, es war an der Zeit, sie umzusetzen. Er stieß dem Pferd die Fersen in die Flanken; es bäumte sich auf, dann stob es in wildem Galopp in die angegebene Richtung. Es war tatsächlich so, wie es Barden oft in ihren Liedern gesungen und wie es der rätselhafte Kerl in der Taverne jenseits des Styx vorausgesagt hatten: Sie befanden sich an einem Wendepunkt der Geschichte und die Nornen, jene alten Weiber, die den Faden des Schicksals spannen, waren persönlich erschienen, dem Verlauf ihrer Bestimmungen beizuwohnen. Sie hockten vor dem Spinnrad, wie Kraeh sie in Erinnerung behalten hatte, versunken in ihre gespenstige Tätigkeit. Sie waren da und waren es nicht, waren teilnahmslose Zuschauer und zugleich Ursache und Lenker des Ganzen. Der widernatürliche Regen prallte an einer unsichtbaren Kuppel über ihren gebeugten Häuptern ab. Nun würde sich herausstellen, aus welchem Stahl Lidunggrimm geschmiedet war. Kraeh konnte nicht sagen, ob sie seine Absicht kannten, womöglich dachten sie, er wolle seine Hochachtung vor ihnen bezeugen. Für den Bruchteil eines Augenblicks glaubte er, ein Lächeln auf dem verwitterten Gesicht der ältesten der Schwestern zu erkennen. Lidunggrimm sauste herab und mit einem einzigen gewaltigen Streich schlug er allen dreien die Köpfe ab.  
    Ein Donnern grollte durch den dunklen Himmel. Er war immer noch im vollen Galopp. Über die weite Ebene sprengte er. Er, Kraeh, der Bezwinger des Schicksals, während Blitze niederzuckten, die die Überreste der Nornen in Aschehaufen verwandelten und das Blut aus den Wolken einem natürlichen Platzregen weichen ließen. Niemand konnte seine Tat gesehen haben und doch haftete ihm etwas an, das den Dämonen, die den Seher abschirmen sollten, das fremde Gefühl nackter Angst unter die Haut trieb. Sie ließen ihre Waffen fallen und gaben den Weg zur Glocke frei. Der Seher begriff nicht, was geschah, reagierte aber dennoch geistesgegenwärtig. In einem Hechtsprung rettete er sich vor Kraehs Klinge und hieb seinem Pferd den Knochen vor die Beine. Es stürzte. Kraeh rollte sich ab und sah sich Niedswar gegenüber, der, das Schwert eines Flüchtenden aufgenommen, der Kriegskrähe entgegentrat. 
    »Du kannst mich nicht töten, Narr!«, rief er ihm durch den Regen zu, »ich bin ein Fatum.« 
    »Das warst du. Jetzt ist es Zeit für dich heimzukehren.« 
    Der Kampf war hart und unbarmherzig. Niedswar war zwar schnell, aber er war kein Krieger. Als Kraeh ihm die erste Wunde zufügte – nicht mehr als ein Kratzer an

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