Rabenflüstern (German Edition)
sicher, dass er es nicht einmal für nötig empfand, den Versuch zu unternehmen, die Anschuldigungen selbst zu widerlegen.
»Kraeh«, sprach Bran den weißhaarigen Krieger mit den rot geränderten Augen an, in einem letzten Versuch, an die Vernunft aller zu appellieren, »wir waren einmal Freunde.«
»Jetzt sind wir Feinde«, gab der Krieger eisig zurück, »und meine Feinde haben die Angewohnheit, jung zu sterben.«
»Oder wie in deinem Fall«, setzte Siebenstreich hinzu, »alt und dumm.«
Erden spuckte dem Seher vor die Füße und sie kehrten zurück zu den wartenden Schlachtformationen.
»Wenn ihr kämpft, wie ihr sprecht, haben wir sie im Sack«, bemerkte Orthan. Seine Rolle war es, gemeinsam mit Dorla und den Schamanen der Bretonen und Euskalden während der Schlacht ein Schutzritual zu wirken. Mehr als diesen Schutzzauber konnten sie gegen die Macht des Lia Fail nicht ausrichten und auch die Wirkung war mehr als ungewiss.
Kraeh wendete sein Pferd. »Warte kurz, Erden«, sagte er, dann ritt er in respektvollem Abstand den breiten Schildwall der Feinde ab. Mit einer Ansprache hätte er gewiss mehr Männer gewinnen können, doch er wollte lediglich zeigen, dass er sein Versprechen, hier zu erscheinen, eingehalten hatte – sollten die Unschlüssigen untergehen. So lösten sich gerade mal fünfzig Mann aus den Reihen ihrer Kameraden. Bestimmt hatten mehr vorgehabt, die Seiten zu wechseln, nun jedoch musste es ihnen sinnlos erscheinen, sich den bei Weitem Unterlegenen anzuschließen. Unter den fünfzig, die sich rennend aus der Reichweite niedergehender Pfeile bewegten, war einer, der im Lauf ein Stück Stoff entfaltete. Kraeh erkannte den Mann. Er war einer von jenen, die damals, als Rhoderik und Luitbrecht fielen, unter seiner Führung von Niedswars Dämonenheer aufgerieben worden waren. Der Stoff zeigte eine weiße Krähe auf rotem Grund, die ein goldenes Kreuz in den Krallen zerquetschte. Gerade einmal fünfzig Mann! Aber besser fünfzig, die einem durch die Pforten der Unterwelt folgten, als ein Heer von Zauderern, deren Herzen voll Furcht waren.
In der ersten Reihe angelangt, wurde das Banner an einem Speer befestigt und Erden und Kraeh wurden von Gnadnit Schilde überreicht. Ihre Pferde hatten sie zweien übergeben, die sie nach hinten brachten, wo drei Dutzend berittene Bogenschützen standen, die von Henfir angeführt wurden. Beim Anblick des Banners wurde Jubel laut, trotz dessen, dass viele selbst das Kreuzsymbol um den Hals trugen.
Zwischen Erden und dem Minotaur fühlte Kraeh sich bestens aufgehoben. Die Krähe auf dem Banner tanzte über ihnen in einer Brise, die erste Tropfen mit sich brachte.
Die feindliche Armee rückte vor.
»Vorwärts!«, brüllte auch Erden und auf einmal war alles in Bewegung. Die Heere stürmten aufeinander zu. Zwanzig Schritte vor dem Aufprall wusste Kraeh, dass an Schlachtordnung nicht mehr zu denken war. Es würde eine reine Kraftprobe werden. Die gegnerische Truppenstärke war zu groß für ihre Strategie. Es kam einzig drauf an, wer mehr und schneller tötete. Diese Einstellung, die sich mit blankem Zorn paarte, war töricht, der Verstand setzte aus. Sie hatten das Böse so bildhaft und leibhaftig vor sich; was konnten sie ihm entgegensetzen als die dunkelste Seite, die sie in ihren Seelen trugen?
Einen Augenblick bevor die Armeen aufeinandertrafen, hielten die Rebellen an und stemmten ihre Beine in den Boden, um der Wucht standzuhalten. Schild traf auf Schild – ein tausendfaches lautes Krachen, begleitet von dem dumpfen Dröhnen der unheiligen Glocke, die nun wieder geschlagen wurde.
Die pure Masse des Gegners schob sie zurück. Als der Druck zum Erliegen kam, ging es los. Erdens Morgenstern, den er liebevoll den Großen Zermalmer genannt hatte, machte seinem Namen alle Ehre. Über die Schilde hinweg fuhr die Kugel an der langen Kette auf die Nacken der Soldaten hinab, die von den Hintermännern eingekeilt kaum Platz hatten, Schaden anzurichten.
»Sterbt, Bastarde!«, schrie Gnadnit, wobei er sich mit aller Kraft gegen seinen eingekeilten Schild warf. Der Mann ihm gegenüber wurde zurückgeworfen. Die Kämpfer, die das gesehen hatten, folgten seinem Vorbild und taten es ihm gleich. Schneisen entstanden, in die Schwerter und Speere nachsetzten. Erstes Blut wurde vergossen. Kraeh riss seinen Schild hoch, wo es einen Kiefer brach. Er löste seine Hand aus den Riemen und zog ein Kurzschwert. Gemeinsam mit Erden, der seinen Schild
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