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Rabenflüstern (German Edition)

Rabenflüstern (German Edition)

Titel: Rabenflüstern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Schmidt
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sollte. 
    Die Kinder lauschten seinen Geschichten, solange sie sich wach halten konnten, wie der junge Gunther, ein Mann der sich durch Gerechtigkeit und Härte auszeichnete, den ihm zugedachten Thron gewann und über die Jahre hinweg verteidigte. 
    Stunden später betrat Rhoderik den Raum und fand die drei innig umschlungen schlafend vor. Ihm fiel ein Stein vom Herzen. Jetzt, so ließ er die Hoffnung zu, hatte er seinen Teil erfüllt und den beiden konnte nichts mehr geschehen. 
     
    *** 
     
    Tief unter der Stadt Brisak gab es ein Reich, das weder dem Gesetz des Fürsten Bran noch sonst einem menschlichen Gesetz verpflichtet war. Es war ein finsterer Ort, der die Sonne nicht kannte. 
    Die darüberliegenden Verliese stellten einen Platz der Muße dar, im Vergleich zu den Abscheulichkeiten darunter, deren Urheber in der Mitte einer achteckig angelegten Grotte stand, im Herzen der Erde. Das Wesen, das an der Oberfläche der Seher genannt wurde, war außer sich vor Wut. Seine Späher hatten ihm berichtet, wie die Kinder entkommen waren und nun an Kraehs Seite weilten – eine Koinzidenz, die seine Pläne unangenehm durcheinanderbrachte. 
    Zu jeder Seite des Raumes ging eine aus Gitterstäben bestehende Tür ab. Die Klageschreie dahinter waren verebbt und einer fatalistischen Apathie gewichen. Ein Umstand, der den Seher, nun in der roten Robe eines Zeremonienmeisters, zusätzlich erzürnte. Es roch nach Fäulnis und Tod. Von dem Überbringer der schlechten Nachricht und dem Kerkermeister waren nur noch verkrümmte Klumpen gemarterten Fleisches übrig. Nachdem anschaulich demonstriert worden war, wie Versagen vergolten wurde, hatte er all seine Diener bis auf drei fortgeschickt. Wenn sie geglaubt hatten, ihre verdammten Seelen kennten keine Furcht, sahen sie sich nun mit dem Gegenbeweis konfrontiert. 
    »Schafft die Erwählten heran!«, wurden sie barsch angewiesen. 
    Jetzt waren doch Laute des Jammers zu vernehmen. Grob zwangen die bleichen Diener sechs kahl geschorene Kinder aus ihren nach Unrat stinkenden Zellen. Ketten um wund gescheuerte Arm- und Beingelenke wurden abgenommen; sie waren ohnehin zu schwach, sich zu wehren, und in der Stimme des Rotgewandeten lag eine Macht, der sie nicht widerstehen konnten. Trotz der Grausamkeiten, die sie hatten mit ansehen müssen, traten sie wie befohlen in einen mit Blut gezogenen Kreis, in dessen Zentrum der Peiniger sie erwartete. Die Decke des Raumes war höher, als sie von ihren Zellen aus hatten sehen können. Dickflüssiges Blut tropfte aus der in Schwärze versinkenden Höhe herab und sprenkelte ihre dürren Leiber. 
    »Die Tiere!«, forderte der Seher laut. Sechs große Hunde und ein Käfig, in dem sich Greifvögel der gleichen Anzahl befanden, wurden herangeschafft. Zuletzt wurde eine hölzerne Kiste abgestellt und der Deckel geöffnet. Im Inneren kreuchte, krabbelte und schnappte es. Die Kinder zuckten zusammen, da ihre getrübten Blicke auf lange, behaarte Beine an Chitinkörpern fielen. 
    Der Seher umschritt den Kreis nach rechts, einen martialischen Gesang intonierend. Die Diener warfen ihre Kutten ab und entblößten damit von Dunkelheit und Feuchtigkeit aufgedunsene, bleiche Haut und verkümmerte Glieder. Die Nackten nahmen vor je einer Tiergattung Aufstellung. Emotionslos stimmten sie in die Beschwörungsformeln ihres Meisters ein. 
    Nachdem der Seher dreimal der Blutspur gefolgt war, hob er in entrücktem Tonfall an: »Ba’al, Herr der Welt. Dreiköpfiger Gott der Zwischensphäre, deine Macht rufe ich an!« Die Luft begann zu knistern. Vor den schwachen Augen der wartenden Opfer flimmerte es. 
    »Ba’al Sebub, bei Donner und Sturm, ich rufe dich an!«, schrie er seinen Hass in die Welt. 
    Er ging zu einem der Kinder, einem hageren Mädchen, und riss dessen Kopf zurück. Geübt legte er einen Krummdolch an die freigelegte Kehle. 
    Dann folgte Stille. Auch die Diener hatten in ihrem Gesang innegehalten und verharrten in demütigem Schweigen. 
    Plötzlich erklang ein Donner von solcher Lautstärke, dass die Wände der Grotte wackelten. Staub gesellte sich zu dem von der Decke rinnenden Blut. 
    »GIB SIE MIR!«, hallte es gierig in das Getöse. 
    Alle bis auf den Seher pressten schmerzerfüllt die Hände vor die Ohren. Triumphierend lachte dieser auf. 
     
    Was nun folgte, entbehrt der Erklärung durch Worte. Finsterste Magie verschmolz in Pein und Verzweiflung die elendigen Kreaturen. Begleitet von orgiastischen Schreien und Anrufungen wurden

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