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Rabenflüstern (German Edition)

Rabenflüstern (German Edition)

Titel: Rabenflüstern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Schmidt
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Morgenluft. Unbeweglich lagen die Schiffe da, um die sich eine ganze Armee zu sammeln schien. 
    Kraeh trat aus der Deckung und bestieg das Heck der Fraja . 
    »Was macht er?«, wollte Rhoderik wissen. 
    »Er zeigt diesen Bastarden, wo es langgeht«, lächelte der Halbelf. 
    Breitbeinig stellte Kraeh sich auf das Geländer. Eine leichte Brise spielte mit seinen dunklen Beinkleidern und dem weiten Hemd, das vom Schwertgurt an seine Brust gedrückt wurde. Er stieß den Anderthalbhänder in das Holz und breitete die Arme aus, dem Feind seine Furchtlosigkeit zu demonstrieren. 
    »Ist Gorka Hasenfuß bei seinen Weibern oder versteckt er sich in der hintersten Reihe?«, rief er, so laut er konnte. 
    Es dauerte einen Moment, dann bildete sich in den Reihen der Feinde eine Schneise. Hinein stapfte würdevoll der bulligste Ork, den Kraeh je gesehen hatte. Seine langen, schwarzen Haare auf dem Kopf und am Kinn waren zu Zöpfen geflochten. Außer einer rostigen Brustplatte und einem aus Bronzetellern gearbeitetem Gürtel trug er keine Rüstung. Zahlreiche Schrumpfköpfe schmückten ihn und baumelten bei jedem seiner Schritte gegen muskulöse Oberschenkel. In seiner Rechten hielt er lässig eine wuchtige, zweischneidige Kriegsaxt; um die andere Hand war das Ende einer Kette geschlungen, an der er eine schlanke Frau in abgewetzten Kleidern neben sich herzog. Bis auf den Eisenring um ihren Hals war sie von makelloser Schönheit, ihre fein geschnittenen, fremdländisch anmutenden Züge standen in krassem Kontrast zu dem grobschlächtigen Häuptling, dessen Gefangene sie war. Hinter ihm hüpfte auf einem Bein sein Schamane. Er war bis auf einen aus Federn bestehenden Umhang nackt. Blaue und weiße Runen überzogen seinen Körper, er pfiff, spuckte und stieß Verwünschungen aus, bis Gorka die Hand mit der Kette hob. Er verstummte und wechselte das Standbein. 
    Erst jetzt hob Gorka den Blick und betrachtete den Wahnsinnigen, der es sich erlaubte, so mit ihm zu sprechen. Dann stieß er unwillkürlich ein tiefes grunzendes Gelächter aus; die Umstehenden fielen begeistert ein und stampften mit den Füßen auf. Noch einmal hob er seine Pranke, dass die Frau an der Kette würgte. 
    Auch Berbast hatte sich erhoben und fixierte den Orkhäuptling. 
    »Ihr brisakschen Hunde, Söhne von Huren und Schweinen«, tönte Gorkas Bassstimme über den Fluss, »ihr habt keine Gnade verdient und doch nötigt mich mein Großmut, euch ebendiese widerfahren zu lassen.« 
    Die Menschen, einschließlich Kraeh und Berbast, waren erstaunt über die Wortgewandtheit dieses wilden Monsters. 
    »Springt von euren Schiffen und schwimmt zurück in die vermeintliche Sicherheit eurer lächerlichen Stadt und ich garantiere freien Abzug. Tut es nicht und ihr begegnet noch heute eurem unfähigen Schöpfer!« 
    Gegröle folgte seinen Worten; als es nachgelassen hatte, antwortete Kraeh schnell, in der Befürchtung, Berbast könne sich einmischen. 
    »Meine Männer strotzen nur so vor Tatendrang. Kaum kann ich sie zurückhalten, dir und deiner verlausten Rotte den Garaus zu machen.« Er machte eine Pause. »Aber ich gebe euch«, sagte er und wandte sich dabei an die versammelte Übermacht, »eine Chance, am Leben zu bleiben. Du und ich«, er zeigte mit dem Finger auf Gorka, »machen die Sache unter uns aus!« 
    Der Ork verzog hämisch das Gesicht. Darauf schien er gewartet zu haben. 
    Er machte eine großzügige Geste und rief zurück: »Abgemacht!« Sogleich jedoch schränkte er den Einsatz ein: »Wenn du mich schlägst, fährt dein Schiff weiter.« Berbast wollte Einspruch erheben. »Ihr«, kam Gorka ihm zuvor, »segelt unversehrt nach Brisak … Natürlich nur, sollte das Großmaul siegen, was nicht geschehen wird.« 
    Der General fühlte sich übergangen, aber was hatte er schon zu verlieren? Wenn Kraeh getötet wurde, würden sie eben kämpfen. Er hatte sich nicht mit einem Wort verpflichtet. Tötete Kraeh Gorka, wären die Orks führerlos und moralisch angeschlagen, sodass sie daraus, falls die Orks dann überhaupt noch kämpfen wollten, einen Vorteil gewönnen. Fiel Kraeh im ehrlichen Zweikampf, konnte Bran ihm keinen Vorwurf machen. Also schwieg er und beobachtete teilnahmslos das weitere Verfahren. 
    Die Orks schafften ein großes Floß herbei und ließen es platschend ins Wasser gleiten. Gorka übergab die Gefangene an einen seiner Hauptleute, während der Schamane ihm ein rotes Zeichen auf die Stirn malte. Er packte ihn bei den Schultern und

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